Landrätin Nicole Rathgeber startet am 1. Januar 2025 in die zweite Hälfte ihrer sechsjährigen Amtszeit im Werra-Meißner-Kreis. In einem Interview thematisiert sie die erheblichen Herausforderungen, vor denen der Landkreis steht, insbesondere die gravierenden finanziellen Probleme. Der Nachtragshaushalt für 2024 zeigt ein Defizit von 24 Millionen Euro, während für das kommende Jahr ein Minus von 17 Millionen Euro prognostiziert wird.
Rathgeber hebt hervor, dass 75% der Kosten des Landkreises auf Pflichtaufgaben entfallen, die nicht ausreichend finanziert sind. Insbesondere die Sanierung des Landgrafenschlosses, die mit Kosten von rund 10 Millionen Euro zu Buche schlägt, wurde zu einer Zeit beschlossen, als die Finanzlage des Kreises besser war.
Finanzielle Herausforderungen und soziale Aspekte
Ein strukturelles Problem der Kommunalfinanzierung wird durch fehlende Steuereinnahmen und eine Vielzahl von Pflichtaufgaben von Bund und Land deutlich. Im Haushalt ist der Sozialbereich der größte Kostenfaktor. Steigende Fallzahlen und höhere Standards tragen zur Belastung bei. Aktuell leben zwischen 800 und 900 Flüchtlinge im Werra-Meißner-Kreis, wobei die Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen als unzureichend eingestuft wird. Rathgeber kritisiert, dass das vom Land versprochene Geld für die Flüchtlingskosten nicht weitergeleitet wird, was das Haushaltsdefizit um zusätzlich 2,5 Millionen Euro vergrößert.
In dem Interview wird auch die anstehende Krankenhausreform des Bundes angesprochen, die Verbesserungen für die ländliche Krankenhauslandschaft verspricht. Hierbei herrscht jedoch Bedarf an Klarheit über die Fachrichtungen. Trotz sinkender Geburtenzahlen bleibt die Geburtenstation in Eschwege erhalten, was der Daseinsvorsorge dient. Des Weiteren wird die Notwendigkeit für eine flächendeckende ärztliche Versorgung und den Zugang zur Telemedizin im Landkreis betont.
Die Wirtschaftsförderung sieht eine Stagnation und es wird eine Strategie für neue Angebote gefordert. Zudem ist die Stelle des Geschäftsführers der Werra-Meißner-Kreis GmbH vakant, was die Suche nach einem Nachfolger erforderlich macht. Rathgeber verweist auf Erfolge in der Verwaltung wie die Effizienzsteigerung sowie die Initiativen zur Bürgerfreundlichkeit, wie das Wärmepumpenkompetenzzentrum und Schulalltagsbegleitung.
Eine digitale Transformation der Verwaltung gestaltet sich als schwierig; eine Vision ist die Schaffung eines digitalen Zwillings der Kreisverwaltung. Auch der Auftritt in sozialen Medien bleibt bislang unerfüllt, da Datenschutzprobleme die Umsetzung erschweren. Abschließend betont Rathgeber die Notwendigkeit, die Vorteile des Landkreises besser zu kommunizieren und dessen Sichtbarkeit zu erhöhen.
Nicoel Rathgeber ist seit dem 1. Januar 2022 Landrätin des Werra-Meißner-Kreises und war zuvor Teamleiterin bei der Arbeitsagentur in Kassel. Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 trat sie für die ÜWG-Meinhard an und wurde zur Ortsvorsteherin von Grebendorf gewählt. Bei der Landratswahl 2021 trat sie für die Freien Wähler an und setzte sich in der Stichwahl durch. Sie ist die erste Frau in diesem Amt im Werra-Meißner-Kreis, wie Wikipedia berichtet.