Oliver Dörre, der CEO von Hensoldt, hat erneut auf die Notwendigkeit eines überarbeiteten Beschaffungssystems für Rüstungsgüter in Deutschland und ganz Europa hingewiesen. In einem Interview erklärte er, dass die aktuelle Situation insbesondere durch die jüngsten Entscheidungen des Bundestages zu höheren Verteidigungsausgaben verschärft wird, was Deutschland teilweise zwingt, Rüstungsgüter aus den USA zu beziehen. Dörre fordert eine stärkere Orientierung an einem „Buy-European“ und „Buy-German“ Konzept, um die heimische Industrie zu stärken. ZVW berichtet, dass er zudem einen Bürokratieabbau anmahnt, um die Effizienz bei den geplanten Rüstungsausgaben zu verbessern.

Dörre beschreibt die Bedrohung durch Russland als konkret und wachsend, insbesondere für die baltischen Staaten. Er sieht die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben als eine Art „Zeitenwende 2.0“ und identifiziert die Rüstungsinvestitionen als Möglichkeit, die deutsche Wirtschaft voranzubringen. Diese Ausgaben könnten als „gigantisches Konjunkturprogramm“ fungieren, das zahlreiche Arbeitsplätze kreativieren könnte.

Rüstungsindustrie als Wachstumsmotor

Die deutsche Rüstungsindustrie erlebt derzeit einen Boom, unterstützt durch die gestiegenen Verteidigungsausgaben und geopolitische Unsicherheiten wie den Ukraine-Konflikt. Laut ZDF könnte eine Simulation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sogar prognostizieren, dass durch erhöhte Verteidigungsausgaben bis zu 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.

Unternehmen wie Rheinmetall haben bereits beschlossen, ihre Produktionslinien von Autoteilen auf Rüstungsprodukte umzustellen, was zu einem Anstieg der Beschäftigung führt. Rheinmetall hat allein in den letzten drei Jahren jährlich zwischen 6.000 und 8.000 neue Mitarbeiter eingestellt. Dies spiegelt sich auch in der hohen Anzahl an Bewerbungen wider, die das Unternehmen, insbesondere von Automobilmitarbeitern, erhalten hat.

Hensoldt im Fokus der Rüstungsindustrie

Hensoldt, das seinen Sitz in Taufkirchen bei München hat, ist spezialisierter Anbieter von Radaren und Sensoren, die bereits im Ukraine-Krieg zum Schutz der Zivilbevölkerung vor russischen Luftangriffen eingesetzt werden. Dörre hebt hervor, dass Hensoldt-Radare auch in den Eurofighter integriert sind. Der Bund hält zudem eine Sperrminorität von über 25% an Hensoldt, das für 2024 einen Umsatz von etwa 2,2 Milliarden Euro erwartet. Boersennews weist darauf hin, dass die Rüstungsbranche plant, rund 800 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben auf EU-Ebene einzusetzen, was den Aktienwert von Hensoldt in den letzten fünf Jahren auf das Dreifache steigen ließ.

Abschließend kritisiert Dörre die Fragmentierung in der europäischen Rüstungsansprache und fordert mehr Zusammenarbeit und langanhaltendes Vertrauen zwischen Industrie und Behörden, um effektiver auf die Herausforderungen der aktuellen geopolitischen Lage zu reagieren.