In Polen sind fünf Personen angeklagt, weil sie Geflüchteten geholfen haben, die illegal die Grenze überquert hatten. Diese Angeklagten, bekannt als die „Hajnówka-Fünf“, stammen aus der Stadt Hajnówka, die in der Nähe der Grenze zu Belarus gelegen ist. Ihnen wird vorgeworfen, die „gesetzeswidrige Erleichterung des Aufenthalts“ und die „Unterstützung von illegal Eingereisten zum eigenen Vorteil“ begangen zu haben. Laut der Anklage hatten die Helfer im März 2022 einer Familie aus dem Irak sowie einem Mann aus Ägypten zur Seite gestanden, die tagelang ohne Nahrung und Wasser im Wald ausgelaugt waren. Bis zu fünf Jahre Haft drohen den Angeklagten, die sich vehement gegen die Vorwürfe wehren und die Anklage als absurd kritisieren, wie tagesschau.de berichtet.
Der Fall hat sich in einem sensiblen politischen und gesellschaftlichen Klima entwickelt, das durch eine scharfe Rhetorik gegenüber Geflüchteten geprägt ist. Während die Ermittlungen zunächst unter der PiS-Regierung begannen, werden sie auch unter der neuen Regierung von Donald Tusk fortgeführt. Diese hat in der Vergangenheit schon mehrfach die Asylpolitik in Polen thematisiert. In Polen ist unterlassene Hilfeleistung ebenfalls strafbar, und in den letzten Monaten sind mindestens 21 Menschen in den Wäldern dieser Region gestorben.
Die humanitäre Krise und die Rolle der Aktivisten
Die Region um Hajnówka ist dünn besiedelt und etwa drei Stunden von Warschau entfernt. In diesem Gebiet engagieren sich zahlreiche Aktivisten, wie beispielsweise Kasia Wappa, eine Lehrerin und Aktivistin der belarussischen Minderheit, die Geflüchtete im Białowieża-Wald unterstützt. Wappa ist Teil von Grupa Granica, einem Aktionsbündnis von rund 14 polnischen NGOs. Diese Aktivisten versorgen Geflüchtete mit Nahrungsmitteln, Kleidung und rechtlicher Unterstützung, während sie gleichzeitig mit einer feindlichen Haltung der Regierung konfrontiert sind, die das Konzept sogenannter Pushbacks eingeführt hat, um Asylsuchende an der Grenze zurückzudrängen. In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl von Übertrittsversuchen an der polnisch-belarussischen Grenze, und 2021 beantragten über 11.000 Schutzsuchende in Deutschland Asyl, nachdem sie diese Route genommen hatten.
Die Berichterstattung über die Situation ist durch eingeschränkten Zugang für Journalist*innen und Hilfsorganisationen zur Sperrzone geprägt. Aktivisten berichten von einer ständigen Überwachung durch das Militär und den Schwierigkeiten, medizinische Hilfe zu leisten. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass Hunderte Asylsuchende in Polen auf unbestimmte Zeit in Haft sitzen, ohne ausreichende Gesundheitsversorgung.
Migration und gesellschaftliche Dynamiken in Polen
Der Umgang mit Geflüchteten in Polen ist seit 2015 ein umstrittenes Thema. Während in anderen europäischen Ländern über Integrationsstrategien nachgedacht wird, fehlt in Polen eine kohärente, langfristige Migrationsstrategie. In gesellschaftlichen Debatten über Migration werden viele Flüchtlinge als Bedrohung wahrgenommen, was durch eine vermehrte Sensationsberichterstattung und eine negative Haltungen der politischen Akteure verstärkt wird. Laut bpb.de fühlen sich die meisten Polen von der steigenden Anzahl von Asylsuchenden bedroht und betrachten diese oft als Kostenfaktor für den Staat.
Abgesehen von der unzureichenden gesellschaftlichen Reflexion über die Integration von Ausländern ist auch die rechtliche Situation für Flüchtlinge in Polen besorgniserregend. Asylsuchende haben während des Verfahrens kein Recht auf Arbeit, was ihre soziale Isolation verstärkt. Zudem wird die kulturelle Nähe zu bestimmten Nationalitäten unterschiedlich bewertet, was Vorurteile und Stereotypen schürt.
In diesem komplexen Kontext wird der Prozess gegen die Hajnówka-Fünf ein wichtiger Prüfstein für Polens Umgang mit humanitärer Hilfe und der rechtlichen Bewertung von Unterstützung für Geflüchtete sein. Der nächste Verhandlungstermin ist bereits in ein paar Monaten angesetzt.