In Greifswald haben sich gestern rund 200 Menschen zu einer Demonstration unter dem Titel „Gegen Merz und die Normalisierung von Faschisten“ versammelt. Die Veranstaltung, die um 18 Uhr begann und gegen 19 Uhr endete, richtete sich gegen die Zusammenarbeit von CDU und AfD, insbesondere unter der Führung von Friedrich Merz. Demonstranten, darunter Mitglieder von Antifa, Jusos und Linkspartei, skandierten Slogans wie „Steigbügelhalter-CDU“ und „Ganz Greifswald hasst die AfD“. Der Zug führte vom linken Jugendzentrum Klex durch die Fußgängerzone zum Marktplatz und weiter zum Mühlentor.
Hennis Herbst, der Landesvorsitzende der Linken, ergriff während der Demo das Wort und kritisierte die Kooperationsbereitschaft Merz‘ mit der AfD. Er warnte vor einer möglichen blau-schwarzen Koalition und thematisierte die fallende Brandmauer zwischen der AfD und anderen Parteien auf kommunaler Ebene. Diese Besorgnis über die politische Entwicklung in Deutschland steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Protesten, die am gleichen Tag in mehreren Städten stattfanden.
Proteste in mehreren Städten
Gleichzeitig protestierten tausende Menschen in Städten wie Berlin, München, Dresden und Leipzig gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD zur Verschärfung der Migrationspolitik. In Berlin versammelten sich rund 6.000 Menschen vor der CDU-Parteizentrale. In München zählten die Behörden mindestens 7.000 Teilnehmer, wobei Veranstalter von bis zu 10.000 ausgingen. Das Motto dort lautete: „Wir sind die Brandmauer“.
In Leipzig fanden sich etwa 7.000 Menschen zusammen, um „Merz & AfD stoppen – Asylrecht verteidigen – Brandmauer wieder aufbauen!“ zu fordern. In Dresden, wo etwa 1.000 Menschen protestierten, nahmen auch Politiker der SPD, Linken und Grünen teil. Diese Proteste spiegeln die wachsende Besorgnis über die Zusammenarbeit der CDU mit der AfD wider, die von Kritikern als Tabubruch angesehen wird.
Der Fall Albrecht Weinberg
Ein besonders schwerwiegendes Zeichen dieser Entwicklung ist die Entscheidung eines 99-jährigen Holocaust-Überlebenden, Albrecht Weinberg, seine Bundesverdienstmedaille an den deutschen Staat zurückzugeben. Grund hierfür ist die Unterstützung der AfD durch die CDU bei einer parlamentarischen Abstimmung zur Eindämmung der Migration. Diese erste Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD wird von vielen als alarmierend empfunden und wirft Fragen über die Integrität und Ethik der etablierten Parteien im Umgang mit rechtsextremen Kräften auf.
Weinberg, der nach dem Holocaust in die USA emigrierte und vor etwa zehn Jahren nach Deutschland zurückkehrte, betrachtet diesen Schritt als einen Ausdruck seiner Enttäuschung über den Bruch mit dem zentristischen Erbe von Angela Merkel. Die ehemalige Bundeskanzlerin kritisierte jüngst die CDU für ihre Bereitschaft, mit der AfD zu kooperieren und damit eine neue politische Realität zu schaffen, die den Anschein einer Normalisierung von extremistischen Positionen erweckt.
Diese Entwicklungen haben nicht nur innerhalb der politischen Landschaft Verständnis für die Akzeptanz von Parteien wie der AfD geschaffen, sondern auch eine breite Bewegung von Bürgerprotesten ausgelöst, die sich gegen diese Zusammenarbeit und die damit verbundenen Migrationspolitiken Stellung beziehen. Vor den regionalen Wahlen in Sachsen und Thüringen, wo die AfD voraussichtlich stark abschneidet, wird die Debatte um Einwanderung weiter an Brisanz gewinnen. Seit Beginn der russischen Invasion 2022 sind rund 1,2 Millionen Ukrainer nach Deutschland gekommen, während im Jahr 2023 mehr als 350.000 Menschen Asyl beantragten.
Die gesellschaftlichen und politischen Spannungen, die sich aus der aktuellen Migrationsdebatte ergeben, sind also nicht nur ein Zeichen für tiefere gesellschaftliche Risse, sondern fordern auch eine klare Positionierung gegen extremistische Ansätze in der deutschen Politik.Nordkurier Independent Tagesschau