In Görlitz, einer Stadt, die nach der Wende zu einem kulturellen Schmuckstück aufblühte, brodelt es. Trotz der restaurierten Baudenkmäler und der staatlichen Förderungen, die Pensionäre anlocken sollten, haben über 36 Prozent der Wähler bei den letzten Wahlen für die AfD gestimmt. Im Umland sind es sogar über 40 Prozent. Diese alarmierenden Zahlen werfen ein Schlaglicht auf die gesellschaftlichen Spannungen in der Region. Wie der Berliner Kurier berichtet, ist die Unzufriedenheit der Bürger mit der politischen Landschaft und den Lebensbedingungen ein zentrales Thema.
Daniel Morgenroth, der Generalintendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters, hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Herausforderungen der Region auseinandergesetzt. Er ist gebürtiger Westdeutscher und hat die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West hautnah erlebt. „Ich ärgere mich über die täglichen Herabwürdigungen des Westens“, erklärt er. Besonders die Klischees, die in den Medien über die Menschen im Osten verbreitet werden, verletzen die Bewohner. Ein Beispiel dafür ist der Sportmoderator Oliver Welke, der in seiner Sendung über AfD-Wähler lacht und dabei sächsische Dialekte imitiert. Solche Darstellungen tragen zur Stigmatisierung der Menschen in Görlitz bei.
Die finanzielle Misere des Theaters
Doch nicht nur die politische Situation ist angespannt. Das Theater selbst kämpft ums Überleben. Nach einem verheerenden Wasserschaden im Jahr 2022 stand das Haus kurz vor der Insolvenz. Die finanzielle Lage bleibt prekär, und Morgenroth hat sogar darüber nachgedacht, die Namensrechte des Theaters an Coca-Cola zu verkaufen, um frisches Geld zu generieren. „Die Idee ist, eine Debatte über Werte und Verkäuflichkeit zu führen“, sagt er. Diese provokante Maßnahme soll nicht nur Geld einbringen, sondern auch die Diskussion über die Rolle der Kunst in der Gesellschaft anstoßen.
Die Kultur in Sachsen ist unterfinanziert, und viele Theater und Orchester stehen vor der Insolvenz. „Unser größtes Problem hier ist nicht die AfD, sondern Geld“, betont Morgenroth. Die finanzielle Unterstützung durch die Regierung ist unzureichend, und das Kulturraumgesetz, das einst für eine gute Finanzierung sorgte, ist nicht mehr zeitgemäß. „Wir müssen von der neuen Regierung fordern, dass die Mittel dynamisiert werden“, fordert er. Andernfalls droht der Kultur in der Region das Aus.
Die AfD und ihre Wähler
Die AfD ist in Görlitz stark vertreten, was nicht zuletzt an der regionalen Unzufriedenheit liegt. „Es gibt für diese Partei ein Übermaß an Aufmerksamkeit, das sich verselbständigt“, so Morgenroth. Viele Wähler sind frustriert und sehen in der AfD eine Möglichkeit, ihren Protest auszudrücken. „Wir haben hier keine 40 Prozent Nazis, das ist Quatsch“, stellt er klar. Die meisten Wähler sind einfach unzufrieden mit der aktuellen politischen Landschaft und suchen nach Alternativen.
Die Sorgen der Bürger sind vielfältig. Mietpreise, Lebenshaltungskosten und die Angst vor Migration sind Themen, die die Menschen bewegen. Diese Ängste werden von der Politik oft nicht ernst genommen, was zu einer weiteren Entfremdung führt. „Es ist ein Versagen der Bundespolitik, die Einwanderung nicht vernünftig zu regeln“, kritisiert Morgenroth. Diese Themen bieten der AfD einen fruchtbaren Boden, um populistische Argumente zu streuen und Wähler zu gewinnen.
In Görlitz gibt es jedoch auch eine lebendige Kulturszene, die trotz aller Schwierigkeiten besteht. Morgenroth ist überzeugt, dass es wichtig ist, die Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern und ihnen eine Plattform zu bieten, um ihre Sorgen und Ängste auszudrücken. „Wir müssen die Bürger abholen und ihnen zeigen, dass Kultur wichtig ist“, sagt er entschlossen.
Die Herausforderungen in Görlitz sind komplex und vielschichtig. Die Kombination aus politischer Unzufriedenheit, finanziellen Engpässen und gesellschaftlichen Spannungen erfordert ein Umdenken in der Politik und der Gesellschaft. Nur durch einen offenen Dialog und ein ernsthaftes Engagement für die Kultur kann die Stadt eine positive Wende erleben. Die Zukunft von Görlitz hängt davon ab, wie die Menschen und die Politik auf diese Herausforderungen reagieren und ob sie bereit sind, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
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