Fatigue, wörtlich „Müdigkeit“, hat tiefere Auswirkungen auf den Alltag, die Beziehungen und das Familienleben der Betroffenen. Diese Form der Erschöpfung geht weit über die gewöhnliche Müdigkeit hinaus und macht ein normales Leben oft unmöglich. Jens Ulrich Rüffer, Hämatoonkologe und Sprecher der Deutschen Fatigue Gesellschaft (DFaG), erklärt, dass Fatigue verschiedene Erschöpfungszustände umfasst und dass es wichtig ist, zwischen akuter und chronischer Fatigue zu unterscheiden. Akute Fatigue hat meist medizinische Ursachen, während chronische Fatigue multifaktoriell ist und neben körperlichen auch psychische Ursachen umfassen kann. Laut der DFaG tritt organisch bedingte Fatigue oft bei Herz- und Nierenerkrankungen auf und kann begleitend bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Multipler Sklerose auftreten, nach Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Verletzungen. Besonders relevant ist auch die krebsspezifische Erschöpfung, ein zentrales Forschungsthema der DFaG.
Ein alarmierender Aspekt ist, dass nach infektiösen Erkrankungen, wie etwa dem Epstein-Barr-Virus oder COVID-19, ebenfalls Fatigue auftreten kann. Die Krankheitsverläufe sind schwer nachvollziehbar und gestalten sich oft als sehr belastend für die Betroffenen. Schätzungen zufolge lebten vor der Corona-Pandemie rund 250.000 Menschen in Deutschland mit Fatigue, weltweit könnten es etwa 17 Millionen sein. Es wird vermutet, dass diese Zahlen sich durch die Auswirkungen von COVID-19 verdoppeln könnten.
ME/CFS: Eine eigenständige Erkrankung
Der Begriff Fatigue wird häufig mit anderen Erschöpfungszuständen verwechselt. Als eigenständiges Krankheitsbild gilt das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Diese neuroimmunologische Erkrankung wird in der Regel durch Infektionen ausgelöst und kann ein Leben lang anhalten. Die Hauptsymptome umfassen anhaltende Fatigue über mindestens 6 Monate, Belastungsintoleranz (Post-Exertionelle Malaise, PEM), Schmerzen, Schlafstörungen sowie kognitive Beeinträchtigungen und Dysregulation der inneren Organe. ME/CFS unterscheidet sich von chronischer Fatigue, die lediglich ein Symptom beinhalten kann. Wie in der Studie auf pmc.ncbi.nlm.nih.gov hervorgehoben wird, wird auch bei einem erheblichen Teil des post-COVID-Syndroms die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllt.
Die Diagnose von ME/CFS erfolgt anhand internationaler Kriterien und setzt den Ausschluss anderer Erkrankungen voraus. Geprägt ist die Erkrankung durch die sogenannte PEM, bei der die Symptome nach körperlicher und geistiger Aktivität deutlich verschärft werden. Diese Symptome können von einem grippalen Gefühl über Muskelschmerzen bis hin zu Herzrasen und Schwindel reichen. Patienten berichten manchmal, dass selbst einfache Tätigkeiten wie der Gang zur Toilette die Symptome verschlimmern.
Behandlung und Prognose
Obwohl es derzeit keine kausale Therapie für ME/CFS gibt, konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der verschiedenen Symptome, einschließlich orthostatischer Intoleranz, Schlafstörungen und Schmerzen. Die psychosoziale Unterstützung und Stresskontrolle sind ebenfalls wichtige Aspekte der Therapie. Wie mecfs.de erläutert, ist ein vorausschauendes Energiemanagement (Pacing) entscheidend, um den Energiehaushalt der Betroffenen zu regulieren und Rückfälle zu vermeiden.
Die Prognose für Menschen mit ME/CFS ist oft besorgniserregend. Etwa 40% der Betroffenen erfahren eine Verbesserung im Laufe der Zeit, allerdings bleiben rund 60% arbeitsunfähig. Eine vollständige Remission der Erkrankung ist selten, und es gibt Hinweise darauf, dass kardiovaskuläre Ereignisse, Krebs und Suizid die Lebenserwartung der Betroffenen beeinträchtigen können. Vor diesem Hintergrund ist die Forschung zu Fatigue und ME/CFS besonders bedeutsam geworden, nicht zuletzt durch die Zunahme an Patientenzahlen im Zuge der COVID-19-Pandemie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Fatigue als auch ME/CFS ernstzunehmende Erkrankungen sind, die das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Ein besseres Verständnis, mehr Forschung und individuelle Behandlungsansätze sind dringend erforderlich, um den Betroffenen die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen.