Am 11. Februar 2025 fordern ehemalige Spitzenturnerinnen in einem offenen Brief den Deutschen Turner-Bund (DTB) auf, die Untersuchungen in ihrem Umfeld neu zu gestalten. Die Unterzeichnerinnen, zu denen prominente Namen wie Janine Berger, Lara Hinsberger und Sophie Scheder gehören, kritisieren den aktuellen Auftrag an die Kanzlei Rettenmaier. Ihre Bedenken sind insbesondere auf die Vorwürfe von Missbrauch und unzureichenden Rahmenbedingungen bei der Aufarbeitung solcher Fälle zurückzuführen. Sie argumentieren, dass die Kanzlei nicht unabhängig sei und verweisen auf negative Erfahrungen aus der Vergangenheit am Bundesstützpunkt in Chemnitz.

In ihrem Schreiben richten sich die 28 Unterzeichnerinnen an den DTB-Vorstand, das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), das Sportministerium Baden-Württemberg sowie den Landessportverband BW. Die Athletinnen sehen in der Unabhängigkeit von Untersuchungsgremien eine Grundvoraussetzung für eine vertrauensvolle Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen. Ethik-Professorin Natalie Barker-Ruchti unterstützt die Forderung nach Transparenz und Unvoreingenommenheit in solchen Verfahren.

Forderungen nach unabhängiger Aufklärung

Die Turnerinnen befürchten, dass der DTB Fakten schaffen könnte, bevor eine gründliche, unabhängige Untersuchung erfolgt. Es wird ein Verfahren gefordert, das an die Aufarbeitung des Turnskandals in der Schweiz angelehnt ist, welcher durch das zuständige Sportministerium begleitet wurde. Das BMI hat bereits finanzielle Unterstützung für den DTB bereitgestellt und betont die Notwendigkeit eines unabhängigen Zentrums für „Safe Sport“, das Gewalt im Sport nachhaltig untersuchen soll.

Die aktuellen Missbrauchsvorwürfe im Deutschen Turner-Bund ziehen immer weitere personelle Konsequenzen nach sich. Ulla Koch, die frühere Bundestrainerin und derzeitige Vizepräsidentin des DTB, hat vorübergehend ihren Rücktritt erklärt, um einen optimalen Aufarbeitungsprozess zu unterstützen. Der Verband hebt Kochs Verdienste im deutschen Turnen hervor und wird von ehemaligen Turnerinnen wie Tabea Alt und Michelle Timm mit schweren Vorwürfen konfrontiert, die systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch sowie katastrophale Umstände bei der Arbeit am Stützpunkt in Stuttgart betreffen.

Kontext und Unterstützung für Betroffene

Der Missbrauchsskandal im deutschen Turnen ist nicht isoliert. Internationale Beispiele wie der Skandal in den USA, in dem ein Sportarzt hunderte Frauen und Mädchen missbrauchte, zeigen, wie umfassend das Problem ist. Laut Berichten haben über ein Drittel der Leistungssportler in Deutschland Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht. Psychischer Missbrauch ist sogar noch häufiger. In diesem Kontext hat sich die Initiative „Safe Sport e.V.“ gegründet, um Betroffenen von Gewalt im Sport Unterstützung zu bieten. Die Beratungsstelle engagiert sich für einen gewaltfreien Sport und bietet anonymisierte, kostenfreie psychologische und juristische Beratung an.

Safe Sport e.V. fordert von Vereinen und Sportverbänden, einen Ehrencodex einzuführen, Angehörige zu sensibilisieren und präventive Maßnahmen gegen Missbrauch zu entwickeln. Eltern wird geraten, auf Warnsignale bei ihren Kindern zu achten, um unangemessene Behandlungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Die Sachlage rund um das Turnen in Deutschland bleibt angespannt, während weitere Informationen und Entwicklungen im Aufklärungsprozess erwartet werden.