In der aktuellen Debatte um den Turnsport in Deutschland haben Vorwürfe gegen Verantwortliche am Kunst-Turn-Forum in Stuttgart breite Wellen geschlagen. Sportministerin Theresa Schopper zieht in Erwägung, finanzielle und personelle Konsequenzen zu ziehen, nachdem mehrere Leistungsturnerinnen, darunter Tabea Alt, Kim Bui und Michelle Timm, von „systematischem körperlichen und mentalen Missbrauch“ berichteten. Diese Vorwürfe betreffen nicht nur die sportlichen Bedingungen, sondern auch die inneren Strukturen des Verbandes.

Am Olympiastützpunkt Stuttgart bringen Plakate, die auf einen respektvollen Umgang hinweisen und gegen Missbrauch appellieren, die aktuelle Stimmung zum Ausdruck. Der Schwäbische Turner-Bund (STB) hat bereits einige Meldungen über Missstände erhalten, jedoch betont der Landessportverband Baden-Württemberg (LSVBW), dass er bereits früher von den problematischen Umständen erfahren habe. Dennoch blieben erste Gespräche zwischen den Beteiligten aus, was Sportministerin Schopper als erschütternd empfindet und die interne Aufarbeitung stark kritisiert.

Reaktionen und Maßnahmen

Der Druck auf die verantwortlichen Stellen wächst, insbesondere seitdem der Deutsche Turner-Bund (DTB) und der STB in einem gemeinsamen Statement betonten, dass alle Beschwerden ernst genommen und verfolgt werden. Trotz dieser Zusicherungen bleibt das Training am Bundesstützpunkt Stuttgart zunächst unbeeinträchtigt. Ab dem 7. Januar werden Bundestrainer Gerben Wiersma und Nachwuchsbundestrainerin Claudia Schunk ihre Trainingsarbeit in Stuttgart aufnehmen.

Währenddessen ist es besorgniserregend, dass Medien keinen Zugang zum Kunst-Turn-Forum haben, da der Verband die Persönlichkeitsrechte der aktiven Sportlerinnen schützen möchte. In einem wichtigen Ministeriumstreffen, das am 23. Januar geplant ist, sollen weitere Schritte zur Aufklärung und zur Erstellung eines konkreten Maßnahmenplans erörtert werden.

Finanzielle Konsequenzen

Im Jahr 2025 sollen über den LSVBW 1,6 Millionen Euro an den Turnsport ausgezahlt werden. Es wird jedoch erwartet, dass diese Fördermittel möglicherweise eingefroren werden, sofern gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoßen wird. Unternehmensvertreter und die Stadt Stuttgart haben sich gegen die Streichung von Fördermitteln ausgesprochen, sehen jedoch die Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung der Vorwürfe.

Zudem hat LSVBW-Hauptgeschäftsführer Derad eine Gewaltenteilung vorgeschlagen, um das Vertrauen der Athleten zu stärken. Ein neuer Schritt in dieser Richtung ist die Einrichtung einer Stelle für „Athletenmanagement“ am Olympiastützpunkt, was als Signal der Ernsthaftigkeit gewertet werden kann.

Der Druck im Leistungssport

Die Vorfälle in Stuttgart reißen den Vorhang zurück und verdeutlichen ein weit verbreitetes Problem im Leistungssport: Interpersonale Gewalt. Eine Vielzahl an Studien hat gezeigt, dass viele Sportler:innen unter psychischer, physischer und sexueller Gewalt leiden. Dies wird durch den hohen Druck, der mit dem Streben nach olympischem Erfolg verbunden ist, verstärkt. Der Druck, sich ständig zu beweisen, kann das Wohlbefinden der Athleten stark gefährden und hat oft langfristige Auswirkungen auf deren körperliche und geistige Gesundheit.

Die Olympische Charta fordert einen sicheren Sport, der die Athleten vor Belästigung und Gewalt schützt. Sind solche Prinzipien nicht verankert, hat dies Konsequenzen für die gesamte Sportkultur. Der Bedarf an kulturellen Veränderungen und klaren Vorschriften ist unbestreitbar. Initiativen wie „Safe Clubs“ und das Projekt „SIMS“ zielen darauf ab, evidenzbasierte Präventionsmaßnahmen zu implementieren – ein Schritt, den der Turnsport nun möglicherweise ebenfalls benötigt, um ein sicheres Umfeld für die Athleten zu schaffen.

Die Geschehnisse am Kunst-Turn-Forum sind ein alarmierendes Beispiel für die Herausforderungen, die das System des Leistungssports überwinden muss, um das Wohlergehen seiner Athleten zu garantieren. Verhalten des Verantwortlichen und die offene Kommunikation über Missstände sind endlich notwendig, um das Vertrauen der Sportler:innen zurückzugewinnen.

Für detaillierte Informationen zu den aktuellen Entwicklungen in Stuttgart und den Reaktionen der Verbände siehe SWR, Sportschau und In Mind.