Am 24. Februar 2025 jährt sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zum dritten Mal. Prof. Dr. Ricarda Vulpius, Osteuropa-Historikerin an der Universität Münster, beschreibt die prekäre Stimmung in der ukrainischen Bevölkerung. Schätzungen zufolge sind bis zu 70.000 ukrainische Soldaten und 12.000 Zivilisten gestorben, während rund 400.000 Menschen verletzt wurden. Trotz des Leids sehnt sich die Bevölkerung nach einem gerechten und sicheren Frieden, steht jedoch vor der Herausforderung, zwischen unzureichenden Optionen wählen zu müssen.
In den laufenden Friedensverhandlungen werden Gebietsabtretungen diskutiert, welche laut Vulpius historisch nicht gerechtfertigt seien. Ein Blick auf die Vergangenheit zeigt, dass 1991 über 90% der Bevölkerung im Donbass für die Unabhängigkeit der Ukraine stimmten; auch auf der Krim sprachen sich mehr als die Hälfte der Bewohner dafür aus. Die EU hat sich mittlerweile von der Praxis, Territorien zu feilschen, verabschiedet. Um einen robusten Frieden zu gewährleisten, sind laut Vulpius die Sicherheitsgarantien, die Präsident Selenskyj fordert, nötig.
Deutsche Verantwortung und Geschichtsaufarbeitung
Am 19. Mai 2017 fand eine Diskussion im Deutschen Bundestag über einen Antrag zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Ukraine statt. Der Antrag, initiiert von Marieluise Beck und eingebracht von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wurde nicht angenommen, sondern an den Auswärtigen Ausschuss zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Ziel dieser Initiative war es, die Verantwortung Deutschlands zu stärken, die aktive Unterstützung der Ukraine zu fördern und Erinnerungsdialoge anzuregen.
Die Begründung für den Antrag ist die leidvolle Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert, einschließlich des russischen Bürgerkriegs, des Holodomor und des Zweiten Weltkriegs. Marieluise Beck betonte in ihrer Rede, dass Belarus, Polen, Litauen, Lettland, Estland und die Ukraine in Deutschland kaum als „Bloodlands“ wahrgenommen werden. Diese Perspektive wird durch die weitverbreitete russische Propaganda, die die Ukraine als Nazikollaborateur darstellt, weiter verzerrt.
Wahrnehmungsprobleme und politische Debatten
Trotz der Mehrheit der Redner, die den Antrag unterstützten und die historische Verantwortung anerkannten, äußerten sich unterschiedliche Meinungen über die notwendigen Schritte. Dr. Fritz Felgentreu (SPD) wies auf die Schwierigkeiten hin, die Ukraine als europäisches Land mit eigener Identität zu begreifen. Gleichzeitig forderten Dr. Hans Peter-Uhl (CDU/CSU) und Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) eine Stärkung des Wissens über die Ukraine in Deutschland und eine gegen die Relativierung der Verantwortung gerichtete Haltung.
Die Debatte spiegelt die Krise der Begriffe wider, die die Ukraine betrifft, und deren Wahrnehmung als Teil der Sowjetunion. Fehlende bilaterale Plattformen und eine unzureichende kulturpolitische Außenpolitik der Ukraine haben das Bild zusätzlich verzerrt. Die Komplexität des Konflikts wird auch durch unterschiedliche Begriffe wie „Konflikt“, „Bürgerkrieg“ oder „hybrider Krieg“ verdeutlicht.
Angesichts der historisch gewachsenen Verstrickungen fordert Vulpius eine maximale Unterstützung der Ukraine, um zukünftige Angriffe Russlands abzuwehren und den Frieden zu sichern. In diesem Kontext ist es unerlässlich, das Bewusstsein für die gezielte russische Propaganda und deren Einfluss auf den Informationsraum in Europa zu schärfen.
Ein fortlaufender Dialog über die historische Verantwortung hat das Potenzial, das Verständnis für die Ukraine zu vertiefen und einen vielstimmigen Diskurs zu schaffen, der nicht nur von der Politik dominiert wird. Trotz der Komplexität und der Diversität der Perspektiven bleibt die Aufgabe, eine solidarische und verantwortungsbewusste Haltung gegenüber der Ukraine zu entwickeln, dringend.
Für weitere Informationen über die Ereignisse und Diskussionen zu diesem Thema können Sie die Berichterstattung von der Universität Münster, der Bundeszentrale für politische Bildung und weiterer Analysen von bpb nachlesen.