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Die Mendelssohn-Remise: Ein Kampf um die Erinnerungskultur in Berlin

Die Mendelssohn-Remise in Berlin, ein bedeutender Ort jüdischer Kultur und Geschichte, droht aufgrund drastischer Mietsteigerungen und unsicherer Vertragsbedingungen bis Ende 2024 obdachlos zu werden, was nicht nur das Ende eines traditionsreichen Veranstaltungsorts bedeutet, sondern auch die Erinnerungskultur der Stadt gefährdet.

Die drohende Schließung der Mendelssohn-Remise in Berlin wirft ein grelles Licht auf die Herausforderungen der Erinnerungskultur in Deutschland und die finanziellen Hürden, mit denen viele kulturelle Einrichtungen konfrontiert sind. Dieser einmalige Ort, der seit 2004 ein Zentrum für Konzerte und Lesungen ist, steht am Rand des Gendarmenmarktes und ist untrennbar mit der Geschichte der jüdisch geprägten Mendelssohn-Familie verbunden.

Historische Wurzeln und kulturelle Bedeutung

Die Mendelssohn-Remise war einst eine Kassenhalle einer Bank und später ein Kutschstall. Heute ist sie ein bedeutendes Museum, das die Spuren der Mendelssohn-Dynastie in der Berliner Kulturgeschichte erhält. Die Erhaltung solcher Orte ist von enormer Bedeutung, da sie die lebendige Erinnerung an Persönlichkeiten wie Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Schwester Fanny Hensel in der Öffentlichkeit bewahren. Diese beiden musikalischen Genies haben die deutsche Musik nachhaltig geprägt, und ihre Geschichten sind Teil des kulturellen Erbes Berlins.

Steigende Mietkosten als Bedrohung

Die finanzielle Sicherheit der Mendelssohn-Remise, die überwiegend durch Spenden der Mendelssohn-Gesellschaft unterstützt wird, steht auf der Kippe. Die Eigentümerin des Gebäudes hat die Miete um 25 Prozent erhöht und einen Vertrag mit kurzer Kündigungsmöglichkeit gefordert. Thomas Lackmann, der Leiter der Remise, betont, dass diese Bedingungen die kontinuierliche Museumsarbeit unmöglich machen. Aktuell liegt der jährliche Mietbetrag bei rund 80.000 Euro, was für eine so kleine Institution kaum tragbar ist.

Politische Verantwortung und mögliche Unterstützung

Die Kultur- und Medienbeauftragte des Bundes, Claudia Roth, hat auf die Möglichkeit hingewiesen, Fördermittel über den Hauptstadtkulturfonds zu beantragen. Doch als projektbasierte Förderung ist dies nur eine vorübergehende Lösung und kein langfristiger Plan. Joe Chialo, Berlins Kultursenator, hat einen Brief an die Eigentümerin geschickt, in dem er um Fortsetzung des bestehenden Mietverhältnisses bittet. Eine dauerhafte Lösung sieht jedoch anders aus.

Die kulturellen Auswirkungen der Schließung

Wenn die Mendelssohn-Remise Ende 2024 schließen sollte, träfe dies nicht nur die Veranstaltungsreihe „The Last Rose of Summer“ hart, sondern würde auch das Gesamtbild der Berliner Kulturszene erheblich verändern. Internationale Künstler, die dort auftreten, wie Vladimir Stoupel und Judith Ingolfsson, könnten nicht mehr in diesem historischen Rahmen musizieren. Dies würde nicht nur den Verlust eines Konzertortes bedeuten, sondern auch das Absterben einer wichtigen kulturellen Tradition.

Einstieg in die Aufklärung und Toleranz

Der Einfluss der Mendelssohn-Familie erstreckt sich über die Musik hinaus, und besonders der Philosoph Moses Mendelssohn steht für die Prinzipien der Aufklärung. Sein Erbe der Toleranz und der Brücken zwischen den Religionen bleibt auch in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion bedeutend. In Anbetracht des ansteigenden Antisemitismus in Deutschland, verstärkt durch aktuelle geopolitische Konflikte, wird der Erhalt von Orten wie der Mendelssohn-Remise noch dringlicher. Lackmann warnt vor einem schleichenden Verlust der Erinnerungskultur in der Hauptstadt.

Hoffnung auf ein neues Zuhause

Die Möglichkeit, dass ein wohlhabender Mäzen das Gebäude kauft, bleibt eine Hoffnung, die vielen in der kulturinteressierten Gemeinschaft Trost Spendet. Statt als reines Renditeobjekt gesehen zu werden, könnte eine solche Person die Vision haben, die Tradition der Aufklärung und das kulturelle Erbe der Mendelssohn-Familie weiterzuführen. Unterstützung und Spenden, wie die kürzlich in Form eines Schecks aus den USA erhaltene, sind entscheidend, um die kulturelle Vielfalt in Berlin zu bewahren.

Schließlich wird die Mendelssohn-Remise nicht nur als Veranstaltungsort, sondern als ein Ort des Andenkens und des Dialogs dringend benötigt. Ihre Schließung wäre ein herber Rückschlag für das kulturelle Leben Berlins und die Erinnerung an ein bedeutendes Erbe.

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Lebt in Hamburg und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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