Die „Sammlung Dehn“, bestehend aus antiken Keramikfragmenten, wirft Fragen zur Herkunft und Verantwortung auf. Diese Fragmente, die in der Antikensammlung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) aufbewahrt werden, stammen aus einer unbekannten Münchner Privatsammlung und sind rund 2500 Jahre alt. Sie wurden 1939 erworben, einer Zeit, die von einer Vielzahl fragwürdiger Kunsttransaktionen geprägt war. Dr. Georg Gerleigner, der 2019 mit der Erforschung der Herkunft der Objekte begann, stellt fest, dass die Sammlung eine komplexe Geschichte hinter sich hat. Die Stücke wurden nicht von Wiltrud Dehn oder ihrem Ehemann, sondern von Georg Dehn verkauft, der als „Nicht-Arier“ galt und aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung fliehen musste.
Georg Dehn verkaufte die Sammlung, um 1939 vor dem NS-Regime zu entkommen. Er emigrierte anschliessend nach Ecuador. Georg Lippold, Professor für Klassische Archäologie an der FAU, erwarb die Sammlung teilweise für die Universitätsantiquitäten. Die Objekte wurden von Lippold ohne Gewinn an die Antikensammlung weiterveräußert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Sammlung nicht in ein Wiedergutmachungsverfahren einbezogen, was die Nachforschungen über ihre Herkunft zusätzlich erschwert hat. Die Nachfahren von Georg und Wiltrud Dehn stimmten jedoch im Jahr 2022 dem Verbleib der Stücke an der FAU zu und unterzeichneten einen Vertrag, der den Zugang zur Sammlung regelt.
Die Vielfalt der Objekte
Die Sammlung umfasst insgesamt 483 Scherben antiker Keramik, darunter griechische, etruskische und italische Stücke, die zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. datiert werden, sowie römische Objekte. Zudem beinhaltet die Sammlung Bronze- und Bleigegenstände, Terrakottafiguren, -reliefs, -lampen und Fragmente von Marmorskulpturen. Die Herkunft der meisten Objekte bleibt unklar; viele stammen wahrscheinlich aus dem deutschen und italienischen Kunsthandel vor dem Ersten Weltkrieg. Die Sammlung bietet wertvolle Einblicke in die Kulturen des antiken Mittelmeerraums und wird aktiv für die universitäre Lehre genutzt.
Gleichzeitig beleuchten die Recherchen zur Sammlung die Schwierigkeiten in der Provenienzforschung. Georg Dehn (1887–1967), ein Geschäftsmann und Sammler, erwarb seine Objekte teils bei einer Auktion der Münchner Galerie Helbing und war ein Käufer aus der Sammlung des Künstlers und Archäologen Julius Naue. Es wurde festgestellt, dass Dehn vor dem Verkauf nach Erlangen im April 1939, im Rahmen eines Forschungsprojekts, keine Wiedergutmachungsansprüche geltend machte.
Kontext der Kulturgutverluste
Der Fall der Sammlung Dehn steht beispielhaft für die Herausforderungen, mit denen sich viele Institutionen in Deutschland konfrontiert sehen, wenn es um NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter geht. Die Bundesregierung und die Länder haben eine Erklärung zur Auffindung und Rückgabe solcher Objekte veröffentlicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Rückerstattungsansprüche für Kulturgüter geregelt, jedoch gibt es viele offen gebliebene Fragen und ungeklärte Fälle. Öffentliche Einrichtungen werden ermutigt, mit den rechtmäßigen Eigentümern über Rückgaben zu verhandeln und transparent mit angesprochenen Themen im Bereich Restitution umzugehen.
Die Sammlung Dehn zeigt nicht nur das Problem der Provenienzforschung, sondern auch das potenzielle Unrecht, das hinter vielen Kunsttransaktionen aus der Zeit des Nationalsozialismus steckt. Die FAU und ähnliche Institutionen stehen in der Verantwortung, eine transparente und verantwortungsbewusste Vorgehensweise zu sichern, um Gerechtigkeit in der Nachfolge dieser geschichtlichen Herausforderungen zu fördern.
Für weitere Informationen zur Sammlung Dehn und deren Hintergründe besuchen Sie die Artikel auf Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Retour und Kulturgutverluste.