Eine aktuelle Studie der Beratungsfirma Amrop beleuchtet die Sichtweise von Arbeitnehmern auf die Arbeit in verschiedenen Ländern und stellt dabei ernüchternde Ergebnisse zu den Einstellungen deutscher Fachkräfte fest. Die Umfrage, an der jeweils 1000 Arbeitnehmer aus Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Polen, den USA und dem Vereinigten Königreich teilnahmen, zeigt, dass nur 49,3% der deutschen Teilnehmer der Meinung sind, dass ihr Job gut mit ihrem Privatleben vereinbar ist. Im Vergleich dazu sind in Brasilien 65,2% und in Indien sogar 73,3% karriereorientierte Arbeitnehmer zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance.
Die Studie zielt darauf ab, die Rolle von Arbeit im Leben gut ausgebildeter Menschen zu untersuchen. Dies ist besonders relevant für die alternde Gesellschaft in westlichen Ländern, in denen weniger Erwerbstätige zur Verfügung stehen. In der Mehrheit der untersuchten Länder empfinden nur rund 10% der Fachkräfte Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit. Dennoch zeigt sich ein klarer Unterschied zwischen den Kulturen: In Indien und Brasilien empfinden 92% beziehungsweise 87% der Befragten Arbeit als Spaß, während in Deutschland lediglich 71%, in den USA 69% und im Vereinigten Königreich 68% diese Perspektive teilen.
Unterschiedliche Sichtweisen auf Karriere
Ein markanter Unterschied zeigt sich auch beim Glauben an die Bedeutung einer Karriere für ein gutes Leben. Während 84% der indischen Befragten dies als entscheidend erachten, sind es in Europa nur 43% der Deutschen, 40% der Franzosen und 37% der Polen. Dies könnte auf eine niedrigere Motivation zur Unternehmensführung unter den deutschen Fachkräften hinweisen. Nur 36% der deutschen Arbeitnehmer mit einem Hochschulabschluss streben eine Unternehmensleitung an, während im globalen Süden die Bereitschaft viel höher ist: 76% der Inder, 66% der Brasilianer und 54% der Chinesen sind entschlossen, Führungspositionen zu übernehmen.
Amrop-Chefin Annika Farin weist darauf hin, dass es entscheidend ist, positive Beispiele für Unternehmertum in Deutschland hervorzuheben. Die Bereitschaft, mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, ist hierzulande ebenfalls gering: Nur 27,4% der Deutschen sind dazu bereit, während in China und Indien 45,5% beziehungsweise 41,7% dieser Ansicht sind.
Die Herausforderungen der Work-Life-Balance
Das Konzept der Work-Life-Balance (WLB), also das Gleichgewicht zwischen den Anforderungen von Arbeit und privatem Leben, wird in diesem Kontext immer wichtiger. Es erfordert ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen und den Ressourcen des Individuums. Der Druck, sowohl berufliche als auch familiäre Verantwortungen zu tragen, führt oft zu Konflikten. Änderungen in der Arbeitswelt, wie die Verschiebung hin zu Dienstleistungsberufen und die steigende Flexibilität in der Arbeitszeit, tragen zur Entgrenzung von Arbeit und Freizeit bei. Dies führt zu psychischen Belastungen, insbesondere durch Zeitdruck und Jobunsicherheit, und verstärkt die Notwendigkeit für Maßnahmen zur Verbesserung der WLB.
Um eine Balance zu fördern, sollten Betriebe eine Führungsrolle übernehmen und Maßnahmen auf individueller, betrieblicher sowie sozialpolitischer Ebene umsetzen. Dazu zählen flexible Arbeitszeiten, Angebote zur Kinderbetreuung und Gesundheitsförderung. Individuen müssen ebenso ihre eigenen Ressourcen erkennen und stärken, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen.
Die Erkenntnisse aus der aktuellen Amrop-Studie decken sich teilweise mit den Ergebnissen einer umfassenden Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die Zusammenhänge zwischen Arbeitsqualität und wirtschaftlichem Erfolg untersucht. Diese Studie hebt hervor, wie wichtig die Zufriedenheit der Beschäftigten in Bezug auf ihr Arbeitsumfeld ist, was wiederum für die Produktivität von Unternehmen entscheidend ist. Der Fokus liegt dabei auf sowohl psychologischen Erlebniszuständen als auch der allgemeinen Arbeitszufriedenheit.
Die niedrige Arbeitsmoral im Westen könnte langfristig zu gesellschaftlichen Problemen führen und stellt einen klaren Appell an Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, den Stellenwert von Arbeit und Lebensqualität neu zu definieren. Für den wirtschaftlichen Erfolg ist es unerlässlich, dass sich Fachkräfte und Unternehmen gemeinsam auf eine positive Entwicklung des Arbeitsumfeldes konzentrieren.