Der Schatten des Films „Jud Süß“ reicht bis in die Gegenwart und bleibt ein kontroverses Kapitel der Filmgeschichte. Veit Harlan, der Regisseur, wurde am 23. April 1949 nach einem Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit freigesprochen. Der antisemitische Spielfilm wurde auf Anweisung von Joseph Goebbels zwischen März und Juni 1940 gedreht und feierte seine Premiere am 5. September 1940 bei den Filmfestspielen von Venedig sowie am 24. September in Berlin. Heute wird die komplexe Beziehung der Gesellschaft zu diesem Werk weiterhin intensiv diskutiert. Über 20 Millionen Kinobesucher wurden für den Film gezählt, der oft vor Deportationen von Juden in den besetzten Gebieten gezeigt wurde und somit eine wesentliche Rolle in der NS-Propaganda spielte.
„Jud Süß“ illustriert eine verzerrte Biografie des Bankiers Joseph Süß Oppenheimer, der 1738 in Stuttgart hingerichtet wurde. Harlan verwendete als Grundlage den Bestseller von Lion Feuchtwanger, der jedoch eine differenzierte Sicht auf das Leben der Juden in Deutschland bietet. Stattdessen vereint der Film antisemitische Stereotype und inszeniert Oppenheimer als habgierig und hinterlistig. Diese verzerrte Darstellung führt zu einem überaus negativen Bild, das in der Gesellschaft verstärkt wurde.
Historische Relevanz und kulturelles Erbe
Nach dem Zweiten Weltkrieg war „Jud Süß“ zunächst verboten. Seit fast 60 Jahren gehört er zu den Vorbehaltsfilmen der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, die spezielle Aufführungen mit Vorträgen und Diskussionen verknüpfen, um das historische und gesellschaftliche Erbe kritisch zu reflektieren. Historiker Bill Niven argumentiert, dass der Film nach dem Krieg sogar als Anti-Israel-Propaganda im Nahen Osten genutzt wurde. Seiner Meinung nach ist es wichtig, den Film wissenschaftlich aufbereitet zugänglich zu machen, um antisemitische Muster zu analysieren, die auch heute noch relevant sind.
Niven hebt hervor, dass Antisemitismus im rechten und linken politischen Spektrum verbreitet sei und das Problem global verankert ist. Diese Aussage schneidet die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit antisemitischen Narrativen im aktuellen politischen Klima an, insbesondere im Hinblick auf die Verleugnung und Verfälschung des Holocausts. Die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) hat spezielle Arbeitsdefinitionen für Antisemitismus sowie für die Leugnung, Verfälschung und Verharmlosung des Holocausts entwickelt, die in Zeiten von Fake News und Revisionismus besonders relevant sind.
Holocaustleugnung und ihre Folgen
Holocaustleugnung wird als das Abstreiten der historischen Realität und des Ausmaßes der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten definiert. Diese Form der Verleugnung umfasst auch das Infragestellen wesentlicher Mechanismen wie Gaskammern und Massenerschießungen. Zudem entstehen neue Formen der Verfälschung und Verharmlosung des Holocausts, darunter unangemessene Vergleiche zwischen dem Holocaust und anderen Ereignissen sowie staatlich geförderte Manipulation der Holocaustgeschichte.
Die Verfälschung hat in der Öffentlichkeit auch zu konkreten Vorfällen geführt. Beispiele zeigen, wie Menschen in der heutigen Zeit in den Fokus der Justiz geraten, wenn sie unangemessen über den Holocaust sprechen oder ihn in politischen Kontexten instrumentalisieren. Dies verdeutlicht die anhaltende Notwendigkeit, sich mit den historischen Tatsachen auseinanderzusetzen und den Einfluss von Filmschaffenden wie Harlan kritisch zu hinterfragen, um zu verhindern, dass verzerrte Narrative erneut Fuß fassen.
Insgesamt bleibt „Jud Süß“ nicht nur ein Film, sondern auch ein Symbol für die Herausforderungen, die im Kampf gegen Antisemitismus und für die Erinnerung an die Verbrechen des Holocausts bestehen. Die Forderung nach kritischer Aufarbeitung und Bildung ist entscheidend, um antisemitische Muster in der Gesellschaft zu erkennen und ihnen aktiv entgegenzuwirken.