Nicole Grünewald, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK Köln), hat sich entschieden gegen die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt, der die Situation der deutschen Industrie als stabil bezeichnete. Grünewald bezeichnete Scholz‘ Behauptung als „problematisch für die Wirtschaft“ und hebt hervor, dass Deutschland tatsächlich eine Deindustrialisierung erlebt. Dies berichtet Focus.

Bei ihrem Neujahrsempfang in der Flora, an dem auch Scholz teilgenommen hat, stellte Grünewald alarmierende Zahlen vor: 29% der international tätigen Unternehmen in Deutschland planen, ihre Auslandsstandorte auszubauen, während 34% ihre Investitionen im Inland zurückfahren wollen. „Dies bedeutet, dass Unternehmen ihre Investitionen ins Ausland verlagern“, so Grünewald. Sie macht die Ampel-Regierung für die gegenwärtige wirtschaftliche Unsicherheit verantwortlich und fordert eine bessere Unterstützung der Politik für den Standort Deutschland. Über die Hälfte der Unternehmen haben laut Grünewald kein Vertrauen mehr in die politische Führung des Landes.

Wirtschaftliche Herausforderungen

Grünewald betont, dass die Wirtschaft die Politik zunehmend als Risikofaktor betrachtet. Die IHK Köln, die rund 150.000 Unternehmen vertritt und als die größte Industrie- und Handelskammer in Nordrhein-Westfalen gilt, hat während der Pandemie positives Feedback für die Unterstützung der Politik erhalten. Dennoch äußert sie Sorge über das zunehmende Maß an Bürokratie und das Fehlen sinnvoller politischer Rahmenbedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit gefährden.

Die Herausforderungen für die Wirtschaft in Deutschland sind besonders vielschichtig. Die steigenden Energiepreise, resultierend aus weltpolitischen Entwicklungen wie dem Angriff Russlands auf die Ukraine, und die zunehmenden Kosten in der Automobilindustrie führen zu einem spürbaren Abfluss von Kapital aus dem Land. Im Jahr 2022 verzeichnete Deutschland den höchsten Netto-Abfluss mit etwa -132 Milliarden USD, was die Attraktivität des Standorts gefährdet, wie eine Analyse des IW Köln zeigt. Ein Blick auf die Investitionsströme zeigt, dass viele Unternehmen lieber in Länder wie Frankreich, das UK und die Türkei investieren.

Politisch geforderte Maßnahmen

Grünewald fordert von der Politik, den Handlungsbedarf ernst zu nehmen und ein vertrauensvolles Miteinander zwischen Wirtschaft und Politik zu schaffen. Es liegt ein dringender Appell an die Regierung vor, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, um die Deindustrialisierung zu stoppen. Kritisch sieht sie die politischen Entscheidungen zum Kohleausstieg 2030 ohne einen befriedigenden Plan für alternative Energien. Hier fordert sie einen pragmatischen Ansatz, der auch die Sicherheitsaspekte in der Energieversorgung berücksichtigt.

Die Herausforderungen reichen dabei von Fachkräftemangel über Bürokratie bis hin zu Energieunsicherheit. Grünewald betont die Notwendigkeit einer funktionierenden Zuwanderungspolitik sowie der Verbesserung der Kinderbetreuung, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftssicher zu machen. Sie mahnt auch, dass unrealistische politische Versprechen und Wahlgeschenke nicht länger tragbar sind und fordert pragmatische Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft.

Die IHK Köln hat unter Grünewalds Leitung aktiv Strategien entwickelt, um die Herausforderungen anzugehen und die Bedeutung der Wirtschaft in der politischen Arena zu stärken. Ein modernes und transparentes Auftreten der Kammer ist eines ihrer Hauptziele, um die Leistung zu steigern und die Beiträge für die Mitglieder zu senken.

Insgesamt appelliert Grünewald an die Politik, die Belange und Bedürfnisse der Wirtschaft ernst zu nehmen und darauf hinzuarbeiten, das Vertrauen in die politischen Entscheidungen zurückzugewinnen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen kann die Deindustrialisierung in Deutschland gestoppt werden.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Herausforderungen, die auf die deutsche Wirtschaft zukommen, enorm sind. Der Handlungsbedarf ist groß, und alle Beteiligten sind gefordert, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. Der offene Dialog zwischen Wirtschaft und Politik muss gefördert werden, um Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten tragfähig sind.

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