Der Wiederaufbau der Bundeswehr und die Reformen in der deutschen Sicherheitspolitik haben sich in den letzten Jahren als äußerst Herausforderungen entpuppt. Im Wesentlichen ist festzustellen, dass der Prozess bereits seit elf Jahren ins Stocken geraten ist. Seit dem russischen Überfall auf die Krim im Sommer 2014 mussten zwei Kanzler, Angela Merkel und Olaf Scholz, sowie vier Verteidigungsminister die Verantwortung tragen, jedoch ohne nachhaltige Fortschritte zu erzielen. Die Bundeswehr wurde von Merkel in einem Zustand übergeben, der als „weitgehend wehrlos“ beschrieben werden kann. Laut FAZ war der Verteidigungsetat im Jahr 2021 nur halb so hoch wie die NATO-Verpflichtungen es verlangen.
Die außenpolitische Problemstellung wurde durch den Überfall Russlands auf die Ukraine noch verschärft, da die Bundeswehr bei Bedarf nicht einsatzbereit war. Ein Mangel an gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und effektiver Luftabwehr war offensichtlich. Außerdem war die Luftwaffe, größtenteils mit veralteten Flugzeugen ausgestattet, nicht in der Lage, eine zufriedenstellende Verteidigung zu gewährleisten. Die Munition reichte lediglich für wenige Stunden bis Tage, was die Dringlichkeit von Reformen unterstrich.
Scholz und die „Zeitenwende“
Olaf Scholz proklamierte nach dem ukrainischen Überfall eine „Zeitenwende“, die allerdings bisher kaum greifbare Ergebnisse erzielt hat. Er versprach ein Sofortbudget von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, von dem am Ende des ersten Jahres jedoch kaum etwas umgesetzt wurde. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte anfänglich Rüstungen für Soldaten bestellt, jedoch keine Waffen. Im Jahr 2023 wechselte der Verteidigungsminister, doch die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bleibt nach wie vor auf einem niedrigen Niveau. Die Hinweise auf eine stillgelegte Anschaffung von modernsten Waffen, wie bewaffneten Drohnen, waren eine weitere Hürde in den laufenden Reformen, die durch politische Widerstände, etwa von Rolf Mützenich, unnötig erschwert wurden.
Das Bild wird zusätzlich getrübt durch Tausende von Fahrzeugen, darunter moderne Kampfpanzer, die an die Ukraine abgegeben wurden. Infolge dieser Selektion haben viele Experten die Bundeswehr als schwächer eingeschätzt als noch vor einem Jahr. Die aktuelle Bedrohungslage für Deutschland hat sich nicht entschärft, sodass sich die nächste Bundesregierung mit der Aufgabe konfrontiert sieht, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und die militärischen Fähigkeiten des Landes neu zu stärken.
Von der ´Armee im Einsatz´ zur Multinationalität
Die tiefgreifenden Veränderungen in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik seit 1989 müssen auch in diesem Kontext betrachtet werden, wie bpb darstellt. Diese Veränderungen waren Reaktionen auf internationale Brüche und neue sicherheitspolitische Herausforderungen, wie Staatszerfall und islamistischen Terrorismus. Die Bundeswehr wurde neu definiert als „Armee im Einsatz“, ausgerichtet auf globale Krisenintervention, was jedoch eine ausreichende Ausstattung und Einsatzbereitschaft erfordert. Die Transformation der Streitkräfte war bereits bis 2010 geplant, um Effizienz und integrierte Einsätze zu gewährleisten, allerdings häufen sich seitdem die Herausforderungen.
Die multinationale und europäische Ausrichtung der Bundeswehr erfordert eine enge Zusammenarbeit mit NATO, EU, UNO und OSZE sowie eine klare Definition von Interessen für Auslandseinsätze. Dem wird aber sowohl politisch als auch gesellschaftlich zu wenig Rechnung getragen. Der militärische Faktor ist Teil der deutschen Sicherheitspolitik geworden, nachdem er bis in die späten 1990er Jahre als Tabu galt. Die aktuelle Situation erfordert nicht nur militärische, sondern umfassende sicherheitspolitische Maßnahmen zur Krisenbewältigung.