Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt sich derzeit mit dem Fall von Lina E., die vor rund zwei Jahren wegen gewaltsamer Angriffe auf Rechtsextreme in Dresden verurteilt wurde. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte sie wegen mehrerer Übergriffe und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Sowohl Lina E. als auch die Bundesanwaltschaft legten Revision gegen das Urteil ein, woraufhin der BGH nun Rechtsfehler des Dresdner Urteils prüfen wird, ohne Zeugen anzuhören oder neue Beweise zu erheben. Lina E. wird bei der mündlichen Verhandlung nicht erwartet, da der Haftbefehl gegen sie unter Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde.

Die Bundesanwaltschaft hatte ursprünglich acht Jahre Haft gefordert und sie wirft Lina E. vor, gemeinsam mit anderen eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die Angriffe auf vermeintliche Anhänger der rechten Szene verübt hat. Unterstützer von Lina E. betrachten sie heute als Ikone der linksautonomen Szene und sehen sie als Märtyrerin, die vom Staat wie eine Terrorverdächtige behandelt wird. Der Slogan „Free Lina“ ist in Leipzig und darüber hinaus ein Zeichen der Solidarität und des Widerstands.

Hintergrund des Falls

Das Urteil des OLG Dresden, das in einem Indizienprozess basiert, stützt sich auf unzureichende Beweise. So gibt es keinen klaren Nachweis einer organisierten kriminellen Vereinigung, keine festgelegte Gruppennamen, kein Gründungsdatum und keine Kommunikationskanäle wie Chatgruppen. Die Hauptbelastungszeugen, auf die sich die Anklage stützte, werden von der Verteidigung als unzuverlässig bezeichnet. Einer dieser Zeugen, Leon R., wurde selbst als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung verurteilt.

Der BGH hat nun die Möglichkeit, das Urteil zu bestätigen, abzuändern oder aufzuheben, was im Falle einer Aufhebung eine Neubewertung des Falles in Dresden nach sich ziehen würde. Bereits bestehende Proteste aus der linksradikalen Szene haben auf das OLG-Urteil reagiert, insbesondere die Karlsruher Ortsgruppe der „Roten Hilfe“, die zu einer Kundgebung vor dem BGH aufgerufen hat. Johann G., ein mutmaßlicher Komplize von Lina E., wurde im November festgenommen und steht ebenfalls im Verdacht, eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gruppe eingenommen zu haben.

Entwicklungen und Relevanz

Im Januar 2025 stellten sich sieben weitere untergetauchte Personen den Behörden im Zusammenhang mit einem Überfall in Budapest. Dies führt zu einer kritischen Diskussion über die rechtlichen Schritte, die erforderlich sind, um eine Auslieferung nach Ungarn zu vermeiden. Eine weitere Beschuldigte, bekannt als „Maja“, wurde im Dezember 2023 in Berlin verhaftet und im Juni 2024 trotz eines Eilantrags des Bundesverfassungsgerichts nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht wird heute eine Entscheidung im Hauptverfahren zu diesem Fall bekanntgeben.

Im Kontext des aktuellen linksextremistischen Gewaltpotentials in Deutschland, das laut Informationen des Verfassungsschutzes 2023 bei etwa 37.000 liegt, gibt es auch einen besorgniserregenden Anstieg gewaltorientierter Linksextremisten auf 11.200. Die Ignition von Gewalt gegen Polizisten und Rechtsextremisten verweist auf eine zunehmende Spannung innerhalb der politischen Landschaft. Im Jahr 2023 wurden 4.248 linksextremistisch motivierte Straftaten registriert, darunter 1.650 Delikte gegen Rechtsextreme.

Die Debatte über das Urteil gegen Lina E. bleibt in Deutschland sowohl vor Gericht als auch in der Öffentlichkeit ein heikles Thema. Während der BGH sein Urteil noch prüft, ist die Spannung aufgrund der gesellschaftlichen Teilung zwischen unterschiedlichen politischen Ideologien und der zunehmenden Gewaltbereitschaft spürbar. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidungen in den kommenden Tagen getroffen werden und welche Auswirkungen dies auf die linksextreme Szene und die öffentliche Wahrnehmung haben wird.