Im Bremer Hafen steht seit über 100 Jahren ein beeindruckendes Bauwerk, bekannt als der „Koloss von Gröpelingen“. Die alte Getreideverkehrsanlage (GVA) wurde zwischen 1914 und 1916 erbaut und gilt heute als eines der größten Backsteingebäude Europas, wobei Silo II die größte zusammenhängende Backsteinmauer des Kontinents aufweist. Mit einer Länge von 200 Metern und einer Höhe von 40 Metern (46 Meter inklusive Dachkonstruktion) ist Silo I ein eindrucksvolles Zeugnis der Ingenieurskunst und der architektonischen Vielfalt jener Zeit.
Die Entwicklung des Bremer Hafens als bedeutender Umschlagplatz für Getreide begann um 1900, als Bremen zur wichtigsten Drehscheibe für den Getreidehandel in Europa wurde. In den darauffolgenden Jahren erlebte der Hafen durch verschiedene Neuerungen, wie die Weserkorrektion und den Bau der Freihäfen, einen signifikanten Aufschwung. 1911 wurden bereits Planungen für einen großen Getreidespeicher angestoßen, die schließlich zur Errichtung der GVA führten.
Von der Vergangenheit zur Gegenwart
Die GVA wurde bis 1956 als die modernste ihrer Art in Europa angesehen. Bis zu einer Million Tonnen Getreide wurden jährlich umgeschlagen, eine Leistung, die durch die technischen Errungenschaften der damaligen Zeit ermöglicht wurde. Unter anderem verfügte die GVA über zwei überdachte Piers mit Bahngleisen und Förderbändern, die es ermöglichten, gleichzeitig bis zu vier Seeschiffe zu bedienen. Jedoch führte der Rückgang des Handels in den 1990er Jahren dazu, dass Bremen seine Rolle als bedeutenden Getreideumschlagplatz einbüßte, was den Betrieb der GVA stark beeinflusste.
Im Jahr 2006 wurde die Getreideverkehrsanlage unter Denkmalschutz gestellt, um ihre historische und architektonische Relevanz zu bewahren. Die aktuellen Betreiber, die J. Müller Weser GmbH & Co, haben die Anlage übernommen und setzen weiterhin auf alte Fördertechniken für den Transport und die Lagerung von Bio-Getreide. Im Sommerhalbjahr werden Führungen durch das denkmalgeschützte Gebäude organisiert, um Interessierten einen Einblick in die Geschichte und Funktionsweise der GVA zu geben.
Umstrukturierungen im Hafen
Die bremischen Häfen blicken auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die von einem stetigen Wandel geprägt ist. Während sich am Europahafen ein neuer Wohn- und Bürostadtteil entwickelt, wurde der Überseehafen vollständig aufgegeben. Auch die nachhaltig nutzbaren Flächen im Holz- und Fabrikenhafen, wo Rohstoffe wie Getreide, Kaffee und Kakao umgeschlagen werden, zeigen die Anpassung der Hafenlandschaft an moderne Anforderungen. Die Rolandmühle und die alte Feuerwache sind markante Punkte in diesem Bereich, wobei letzteres mittlerweile als Restaurant dient und einen Blick auf das Hafenbecken bietet.
Die Getreideverkehrsanlage ist nicht nur ein architektonisches Erbe, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftlichen Geschichte Bremens. Mit Plänen zur Sanierung und der Beibehaltung der Nutzung für den Futtermittelumschlag steht die GVA vor einer neuen Phase ihrer Geschichte. Die Entscheidung, die Getreideverkehrsanlage im Herbst 2016 zu verkaufen, hat den Grundstein für künftige Entwicklungen gelegt, die die Tradition des Hafens als Umschlagplatz für landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterführen sollen.