Am 1. August 2024 herrschte in Juneau, USA, Katastrophenalarm aufgrund einer verheerenden Überschwemmung. Der Mendenhall-River schwoll bedrohlich an und überflutete zahlreiche Häuser in der Stadt. Diese unerwartete Flut wurde nicht durch starke Regenfälle verursacht, sondern durch einen Gletschersee, der sich ausbruchsartig entleerte. Solche Ereignisse sind durch Gletscherseen weltweit immer wieder zu beobachten und stellen eine ernsthafte Gefahr dar, insbesondere für menschliche Siedlungen, die flussabwärts liegen. Ein bekanntes Beispiel ist der Suicide Lake, der regelmäßig abfließt und damit potenziell zu weiteren Hochwasserereignissen beiträgt. Die Vorhersage von Gletscherseeausbrüchen bleibt jedoch eine Herausforderung für Wissenschaftler.
In einer intensiven Forschungsanstrengung besuchten Wissenschaftler im Frühsommer 2023 den Desolation Lake in Alaska, um dessen Ausbrüche besser zu verstehen. Der 12 Quadratkilometer große See enthält rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser und hat seit 1972 mindestens 48 Mal ausgebrochen, wobei er große Mengen Sediment transportierte. Diese Region ist zudem seismisch aktiv, was das Forschungsprojekt besonders interessant macht. Um die Daten genau zu erfassen, benötigten die Forscher spezielle Genehmigungen und Ausrüstung für ihren zweitägigen Aufenthalt in der Wildnis. Die Anreise zum Desolation Lake erfolgte mit einem Wasserflugzeug.
Verborgene Risiken und Klimawandel
Die Untersuchung des Desolation Lake ist Teil einer größeren Studie, die darauf abzielt, den Einfluss des Klimawandels auf Gletscherseen zu analysieren. Natalie Lützow, die über diesen See promoviert, konnte feststellen, dass sich die Wassermenge bei den Ausbrüchen verdreifacht hat. Dies könnte einige der instabilen Bedingungen erklären, die durch den Gletscherschwund und die zunehmenden Niederschläge verursacht werden. Georg Veh und Lützow arbeiten darüber hinaus an einer Datenbank für Ausbruchsfluten, die künftig helfen könnte, solche Katastrophen besser vorherzusagen.
Eine umfassende Untersuchung, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Nature“ am 16. Februar 2023, zeigt auf, dass sich Gletscherseeausbrüche weltweit seit 1900 signifikant verändert haben. Ihre Häufigkeit hat zugenommen, sie ereignen sich früher im Jahr und treten in höheren Lagen auf, was auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist. Besonders alarmierend ist, dass die Ausbrüche zudem kleiner geworden sind. Diese Veränderungen sind nicht nur auf die Schmelze der Gletscher zurückzuführen, sondern auch auf die damit verbundenen instabilen Bedingungen.
- Gletscherseeausbrüche in den Hochgebirgen treten etwa 11 Wochen früher auf als im Jahr 1900.
- In den europäischen Alpen sogar 10 Wochen früher.
- In Nordwest-Nordamerika haben sich die Ausbrüche um 7 Wochen verfrüht.
Diese zeitlichen Veränderungen bieten wertvolle Einblicke, die zur Schadensminderung beitragen könnten. Beispielsweise könnten rechtzeitig Straßen oder Brücken gesperrt werden, um das Risiko von Flutkatastrophen zu minimieren. Die Prognosen legen nahe, dass Regionen mit kleineren Gletschern, wie die europäischen Alpen, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts größtenteils eisfrei sein könnten. Im Gegensatz dazu könnten Patagonien und Alaska auch über 2100 hinaus große Gletscher behalten. Daher ist die Überwachung von Gletscherseeausbrüchen unbedingt notwendig, um frühzeitige Warnsysteme für die betroffenen Gebiete einzurichten.
Die Quellen der Gefahren
Zusätzlich zu den stabilitätsbeeinflussenden Faktoren durch Gletscher und Wetterereignisse gibt es auch geologische Aspekte, die zur Gefährdung durch Gletscherseeausbrüche beitragen können. Eine geologische Instabilität im Hangbereich ist oft Voraussetzung für größere Fels- oder Bergstürze, die häufig in den Alpen beobachtet werden. Hier spielen Erdbeben, Extremwetterereignisse und Temperaturwechsel eine entscheidende Rolle. Beispiele für starke Fels- und Bergstürze sind bereits dokumentiert worden, wie der Eibsee-Bergsturz vor rund 3.500 Jahren, der eine massiven Landformung zur Folge hatte.
Die Vernetzung von Gletscherrückgang, Naturgefahren und Klimawandel wird zunehmend zur Herausforderung für Wissenschaftler und Behörden, die planen, wie man am besten auf die Gefahren reagieren kann. Der Rückgang von Gletschern wirkt sich nicht nur auf die Landschaften, sondern auch auf die Gesellschaft aus und erfordert eine umfangreiche Forschung, um die Gefahren besser zu verstehen und entsprechend gegenzusteuern.
Forschung und Überwachung sind von zentraler Bedeutung, um die komplexen Phänomene rund um Gletscherseeausbrüche und andere klimabedingte Naturgefahren effektiv zu beobachten und letztlich das Risiko für Mensch und Natur zu minimieren. Der Klimawandel bleibt daher ein wichtiges Thema, das auch in der Zukunft weiterhin die Wissenschaft und die Gesellschaft beschäftigen wird.
Weitere Informationen finden sich in den Berichten von Uni Potsdam, PIK Potsdam und Alpenverein.