In Unterfranken beginnt am Dienstag um 09:00 Uhr vor dem Landgericht Würzburg die Berufungsverhandlung gegen zwei mutmaßliche Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen. Die Angeklagten stehen im Verdacht, im Januar 2021 einen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr begangen zu haben, als sie fünf Plakate mit Parolen wie „Achtung Gleisbruch 2km“ über eine Bahngleis spannten. Diese Plakate führten dazu, dass ein ICE mit 62 Fahrgästen die Strecke passierte, ohne dass glücklicherweise Verletzte zu beklagen waren. Das Amtsgericht Gemünden am Main hatte bereits im Dezember 2022 entschieden und die Angeklagten zu Haftstrafen verurteilt: ein 40-jähriger Mann erhielt eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten, während eine 63-jährige Frau zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde.
Beide Angeklagten legten Berufung gegen das Urteil ein, wobei der Mann die Tat bestritt und die Frau sich nicht zu den Vorwürfen äußerte. Ursprünglich sollte die Berufungsverhandlung bereits im April 2024 stattfinden, doch sie wurde aufgrund notwendiger Nachermittlungen und eines Sachverständigengutachtens ausgesetzt.
Hintergrund der Proteste
Die Protestaktionen, wie sie in diesem Fall zu beobachten sind, sind Teil einer breiteren Bewegung, die unter dem Label „Querdenken“ bekannt ist. Diese Bewegung, die seit dem Ausbruch der Pandemie an Fahrt gewonnen hat, wird oft von Verschwörungstheorien und einer tiefen Skepsis gegenüber staatlichen Maßnahmen gegen COVID-19 geprägt. Nicht selten wird berichtet, dass Teilnehmer solcher Proteste ein geringeres Vertrauen in die wissenschaftliche Medizin aufweisen und eine höhere Anfälligkeit für Verschwörungstheorien haben, was sich in einer geringen Impfquote widerspiegelt, wie National Geographic feststellt.
Die Querdenken-Demonstrationen ziehen oft eine Vielzahl von Menschen an, darunter sowohl junge als auch ältere Teilnehmer, Familien und sogar extrem rechte Aktivisten. Letztere nutzen diese Plattformen, um ihre Ideologien zu propagieren, was zu besorgniserregenden Entwicklungen führt. Experten für Rechtsextremismus warnen vor einer Radikalisierung innerhalb dieser Szene. Bei den Kundgebungen wird häufig eine Vielzahl von oft widersprüchlichen Verschwörungserzählungen verbreitet, die die Pandemie und ihre Begleitmaßnahmen in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Die Querdenken-Bewegung hat auch gesellschaftliche Spannungen verstärkt, indem sie Themen wie „Frieden“, „Freiheit“ und „Diktatur“ instrumentalisiert. Dies führt nicht nur zu einer erheblichen Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, sondern auch zu einer Relativierung historisch belastender Themen. Es gibt Berichte über gewalttätige Ausbrüche innerhalb dieser Bewegungen, einschließlich des Mordes an einem Tankstellenmitarbeiter durch einen Pandemieleugner.
Insgesamt haben in Deutschland zwischen 12.000 und 15.000 Versammlungen der Querdenken-Bewegung seit Frühjahr 2020 stattgefunden. Die größten dieser Proteste fanden im August 2020 in Berlin statt und wurden als „Freiheitsbewegung“ bezeichnet. Trotz eines Rückgangs der Teilnehmerzahlen in der Folgezeit gibt es nach wie vor eine besorgniserregende Tendenz zur Verbreitung extremistischer Ansichten, die durch die Pandemie eine neue Plattform gefunden haben.
Die kommenden Verhandlungen werden somit nicht nur entscheidend für die angeklagten Personen sein, sondern auch im Kontext dieser breiteren gesellschaftlichen Strömung gesehen werden müssen. Der Umgang mit den Forderungen und Themen der Querdenken-Bewegung bleibt eine komplexe Herausforderung für die Gesellschaft.