Die Gerichtsreportage „Es muss nicht immer Knast sein“ wirft Licht auf die Ungleichheit in der Strafjustiz und die Auswirkungen auf arme und wohlhabende Angeklagte. In zwei parallel stattfindenden Gerichtsverhandlungen in Berlin standen eine Lehrerin und ein arbeitsloser georgischer Staatsbürger vor Gericht, beide wegen versuchten Ladendiebstahls. Obwohl die Lehrerin ein deutlich höheres Einkommen hatte als der georgische Staatsbürger, endete ihr Fall mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung an eine gemeinnützige Organisation. Der arbeitslose Angeklagte hingegen erhielt eine Freiheitsstrafe zur Bewährung.
In den meisten Fällen am Tempelhofer Damm, wo hauptsächlich Verhandlungen gegen sozial benachteiligte Personen stattfinden, enden die Verfahren mit Verurteilungen. Die Urteile betreffen oft Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl oder das Fahren ohne Fahrschein im öffentlichen Nahverkehr. Die Verurteilungen führen oft zu Geldstrafen, deren Nichtzahlung zu Ersatzfreiheitsstrafen im Gefängnis führen kann.
Verschiedene Initiativen und Gesetzesänderungen, wie die Senkung der Tagessatzhöhe für Mittellose oder die Halbierung von Ersatzfreiheitsstrafen, versuchen, die Situation zu verbessern. Trotzdem bleibt die Armutsbestrafung bestehen, wie es genannt wird, da weiterhin viele mittellose Menschen für Bagatelldelikte verurteilt werden.
Eine exemplarische Ausnahme in den Gerichtsverhandlungen war der Fall eines Angeklagten, der durch die Unterstützung seiner Schwester und seines Betreuers einen Freispruch erhielt. Diese geschwisterliche Hilfe zeigt, wie eine verbindliche und regelmäßige Unterstützung mehr helfen kann als wiederholte Strafanzeigen und gerichtliche Strafen. Anwaltliche Vertretung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, da sie oft zu Verfahrenseinstellungen führt.
Die Reportage verdeutlicht die Ungleichheiten in der Strafjustiz und ruft dazu auf, nachhaltigere und gerechtere Lösungen zu entwickeln, um die Benachteiligung ärmerer Bevölkerungsgruppen in Gerichtsverfahren zu verringern. Es wird deutlich, dass die Zusammenarbeit von Gesetzgebern, Gerichten, Initiativen und der Gesellschaft insgesamt erforderlich ist, um eine wirklich gerechte Justiz zu gewährleisten.