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Schwarzfahren in Berlin: Wissenschaftler fordern Entkriminalisierung

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht sich in Berlin mit der Forderung von Wissenschaftlern konfrontiert, das Fahren ohne Fahrschein zu entkriminalisieren, doch die geplante Reform des Strafgesetzbuchs kommt aufgrund interner Diskussionen in der Ampel-Koalition nicht voran, was insbesondere die rechtliche Situation von einkommensschwachen Personen betrifft.

In der Diskussion um die Reform des Strafgesetzbuchs tritt die Entkriminalisierung des Fahrens ohne gültigen Fahrschein in den Vordergrund. Wissenschaftler fordern eine Neubewertung, um die soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Berlin.

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Soziale Gerechtigkeit im Fokus

Das Fahren ohne Fahrschein, oft als ‚Schwarzfahren‚ bezeichnet, wird häufig mit kriminellen Handlungen in Verbindung gebracht. Jedoch zeigen Kriminologen in einem offenen Brief an den Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), dass diese Praxis vor allem benachteiligte Gruppen betrifft. Die Wissenschaftler argumentieren, dass einkommensschwache Personen und Menschen in prekären Lebenslagen, darunter Drogenabhängige, unverhältnismäßig oft betroffen sind.

Wissenschaftler äußern Bedenken

Unter den Unterzeichnern des Schreibens sind namhafte Experten wie Christine Graebsch von der Fachhochschule Dortmund und Sonja John von der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. Sie fordern die Behandlung des Fahrens ohne Ticket weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit. Dies soll verhindern, dass Menschen wegen ihrer finanziellen Lage in eine noch schwierigere Situation geraten, wie etwa durch Ersatzfreiheitsstrafen, die oft eine Folge von Bußgeldanordnungen sind, die nicht bezahlt werden können.

Verzögerungen der Reform

Obwohl ein Entwurf für die Modernisierung des Strafgesetzbuches von Buschmann für die erste Hälfte 2024 angekündigt wurde, gibt es innerhalb der Ampel-Koalition noch Abstimmungsbedarf. Ein weiterer Fokus der Reform ist die Online-Meldung von Unfällen mit Sachschaden, was jedoch zu internen Diskussionen geführt hat.

Der wirtschaftliche Aspekt

In Anbetracht der geringen finanziellen Auswirkung von Schwarzfahren – der Schaden pro Fahrt ohne Ticket wird als marginal angesehen – stellt sich die Frage, ob der Verwaltungsaufwand und die Kosten einer stärkeren Ahndung gerechtfertigt sind. Wissenschaftler argumentieren, dass die Inhaftierung von Personen, die sich die Zahlung einer Geldstrafe nicht leisten können, eine ungerechte Praxis sei, die die sowieso schon belasteten Menschen weiter marginalisiert.

Ein wichtiger Schritt zur Entkriminalisierung

Die Umfrage von November 2023 zeigt die Absicht, das Fahren ohne gültigen Fahrschein zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Während dies als Schritt in die richtige Richtung betrachtet wird, stehen die Wissenschaftler weiterhin kritisch dem Prozess gegenüber. Sie mahnen an, dass die Umsetzung von den genauen Bedingungen abhängt, under den die Reform angeboten wird.

Die Diskussion rund um die Straffreiheit für Schwarzfahrer ist nicht nur ein rechtliches Thema, sondern hat auch tiefere gesellschaftliche Implikationen. Es ist ein Aufruf zur Überprüfung der Werte und Prioritäten in unseren führenden sozialen und politischen Strukturen.

Lebt in Hamburg und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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