Die ukrainischen Streitkräfte sehen sich zunehmend mit massiven Herausforderungen konfrontiert, die zu Gebietsverlusten und einer wachsenden Anzahl an Desertionen führen. Wie t-online.de berichtet, sind in den letzten Wochen Berichte über Fahnenflucht und das Auseinanderbrechen von zwei Brigaden aufgekommen. Besonders die Eliteeinheit „Anna von Kiew“, bekannt als 155. mechanisierte Brigade, steht wegen mutmaßlicher Deserteure und einem Mangel an Ausrüstung in der Kritik.
Die Brigade, die Mitte 2024 aufgestellt wurde und etwa 2000 Angehörige umfasst, wurde nach einer umfassenden Ausbildung in Frankreich neu formiert. Diese Ausbildung fand zwischen August und November 2024 statt und beinhaltete unter anderem die Bereitstellung von leichteren Panzern und Schützenpanzern. Trotz dieser Vorbereitung berichtete ukrainischer Militärjournalist Jurij Butusow von fast tausenden Deserteuren, was letztendlich zu einer überraschenden Ablösung des Brigadekommandeurs Oberst Dmytro Ryumshin führte, der am 12. Dezember 2024 seinen Posten räumen musste. Er wurde von Oberst Taras Maksymov abgelöst.
Krise in der Führung
Die Armeeführung sieht sich der Herausforderung gegenüber, die Brigade „Anna von Kiew“ wieder kampffähig zu machen. Der Mangel an erfahrenen Soldaten und Kommandeuren in den neu gebildeten Brigaden wird als kritisches Problem hervorgehoben. Oberstleutnant Denis Prokopenko äußerte, dass viele der jungen Kommandeure grundlegende Kenntnisse vermissen lassen und die Führungsstile älterer Kommandeure, geprägt von sowjetischer Ausbildung, als ineffizient angesehen werden. Diese Problematik führt dazu, dass selbst beim Anblick von Schützengräben Soldaten desertieren, was die Stimmung an der Front weiter belastet.
Die Rekrutierungs- und Materialprobleme, die nicht nur die 155. Brigade betreffen, manifestieren sich auch in anderen Einheiten. Insbesondere die 157. mechanisierte Brigade berichtete von Verlusten in Höhe von rund 40% der Truppenstärke. Diese Verluste sind alarmierend und erhöhen den Druck auf die ukrainischen Streitkräfte.
Zweifel an der gemeinsamen Effizienz
Die Herausforderungen an der Front sind so gravierend, dass Experten die Situation als äußerst schwierig einschätzen. Die Motivation unter den Soldaten ist gebrochen, was laut topwar.ru zu einem unvermeidlichen Zusammenbruch der Front führen könnte, sollte keine Korrektur der misslichen Lage erfolgen. Die meisten der mobilisierten Soldaten zeigen wenig Wille zu kämpfen, und die tatsächliche Ziffer der Deserteure dürfte viel höher sein als von den Behörden angegeben.
Bisher hat das State Bureau of Investigation nur in einem Drittel der Desertionsfälle Ermittlungen eingeleitet. Während die Zahlen der Behörden optimistisch niedrig gehalten werden, sprechen informierte Kreise von über 200 Deserteuren, was die Ernsthaftigkeit der Situation weiter verdeutlicht. Viele der Deserteure seien unter Zwang rekrutiert worden, was die Bereitschaft zu kämpfen erheblich verringert. Selbst wenn nur 25 Deserteure im ersten Quartal 2024 festgestellt wurden, könnte dies bereits als Vorzeichen für ernste Probleme an der Front gewertet werden.
In einer strategischen Wendung plant Präsident Wolodymyr Selenskyj, neue Soldaten in bestehende Einheiten zu integrieren, anstatt neue Brigaden zu bilden. Dennoch bleibt der Mangel an kompetenten Kräften auf Juniorlevel, insbesondere bei Unteroffizieren und Feldwebeln, ein ungelöstes Problem, das die Effektivität der ukrainischen Streitkräfte gefährdet.