Immer mehr junge Menschen entwickeln ein therapeutisches Verhältnis zu Künstlicher Intelligenz (KI). Sie teilen intime Gedanken mit Programmen wie ChatGPT, was eine verschobene Sichtweise auf die Psychotherapie darstellt. Eine Studie zeigt, dass Dienste wie ChatGPT gelegentlich als einfühlsamer wahrgenommen werden als menschliche Therapeuten. Insbesondere Andreas, ein Universitätsmitarbeiter, berichtet von seinen positiven Erfahrungen, als er wegen seiner frustrierenden Chefin Rat bei ChatGPT suchte. Die KI lieferte einfühlsame Antworten und konkrete Lösungsvorschläge, die ihn ermutigten, aktiv zu werden. Die Anonymität und Niedrigschwelligkeit solcher Dienste bieten Vorteile, die in der traditionellen Psychotherapie oft fehlen, so Welt.
Professorin Johanna Löchner, eine kritische Stimme in der Diskussion über KI in der Psychotherapie, weist auf die langen Wartelisten und die Stigmatisierung hin, mit denen viele Menschen konfrontiert sind. Ihre Studien zeigen, dass bei Beziehungsproblemen ChatGPT keine Leistungsabfälle im Vergleich zu ausgebildeten Therapeuten aufweist. Um dies zu belegen, wurden in einer Untersuchung des Fachjournals „PLOS Mental Health“ die Antworten von ChatGPT und menschlichen Therapeuten verglichen. In einer angenommenen Paartherapiesitzung konnten die Teilnehmer kaum feststellen, wer die Antworten verfasst hatte. ChatGPT wurde sogar besser hinsichtlich der Wirkfaktoren bewertet, wie Empathie und therapeutische Allianz, wie durch maschinelle Analyse und linguistische Untersuchungen unterstützt wurde. Die Ergebnisse deuten auf das Potenzial hin, dass solche Technologien zur Verbesserung der Psychotherapie beitragen könnten, wie von Science Media Center berichtet.
Potenziale und Herausforderungen in der Psychotherapie
Parallel dazu befasst sich die Fachtagung der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung in Berlin mit Künstlicher Intelligenz und digitalen Gesundheitsanwendungen. Bundesvorsitzender Gebhard Hentschel betont die Notwendigkeit, sich mit diesen Technologien auseinanderzusetzen. Der Deutsche Ethikrat äußert, dass KI Gesundheitspersonal in der Psychotherapie weitgehend ersetzen kann, was jedoch ethische Fragen aufwirft. Professor Dr. Markus Langer warnt vor den Risiken, die mit dem Einsatz von KI in der Therapie verbunden sind, und empfiehlt einen vorsichtigen Einsatz bei „Low-Risk-Aufgaben“, um die strukturellen Voraussetzungen zu verbessern. Dabei sollte KI nicht als Ersatz, sondern als ergänzendes Werkzeug betrachtet werden, so der Ärzteblatt.
Die aktuelle Diskussion beleuchtet auch die Herausforderungen bei der Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) unter Psychotherapeuten. Diese Anwendungen, die seit 2020 vom BfArM zugelassen sind und eventuell durch gesetzliche Krankenkassen bezahlt werden, zeigen bislang ein geringes Interesse. Bis Oktober 2020 wurden lediglich 600.000 DiGA-Verordnungen ausgestellt. Gründe für die Zurückhaltung sind unübersichtliche Verzeichnisse und die zeitlich begrenzte Verordnung. Es wird betont, dass DiGA zwar schnelle Behandlungsmaßnahmen bieten, jedoch die persönlichen Kontakte nicht ersetzen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Technologien wie ChatGPT zwar die psychotherapeutische Landschaft verändern könnten, jedoch eine umfassende Integration und eine kritische Auseinandersetzung mit deren Vor- und Nachteilen erforderlich ist. Die Stimmen aus der Wissenschaft und der Praxis sind sich einig, dass die Entwicklung von KI-gestützten Lösungen in der Psychotherapie noch am Anfang steht und die wahre Herausforderung darin besteht, die Potenziale sinnvoll und sicher zu nutzen.