Mehr als drei Jahre nach dem erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin nimmt das Vorhaben zur Vergesellschaftung privater Wohnungsbestände konkrete Formen an. Die Berliner Finanzverwaltung plant, ein Gutachten zur Umsetzung des Vergesellschaftungsrahmengesetzes in Auftrag zu geben. Dies wurde von einer Sprecherin der Finanzverwaltung auf Nachfrage von rbb24 bestätigt. Experten erhoffen sich durch das Gutachten Klarheit über die rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Aspekte des Gesetzes, dessen Vergabeverfahren voraussichtlich vier bis acht Wochen in Anspruch nehmen wird. Ein Auftrag könnte noch im ersten Quartal 2025 erteilt werden.
Beim Volksentscheid im September 2021 sprach sich eine Mehrzahl von fast 60% der Berliner für die Vergesellschaftung der Immobilienbestände großer Privatkonzerne aus. Dies war der Auslöser für die Einsetzung einer Expertenkommission, die unter dem Vorsitz von Herta Däubler-Gmelin (SPD) einen umfassenden Bericht über mögliche Schritte zur Vergesellschaftung vorlegte. Der Bericht, der über 150 Seiten umfasst, besagt, dass Artikel 15 des Grundgesetzes die rechtlichen Grundlagen für eine solche Vergesellschaftung zulässt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Mitglieder der Kommission waren sich einig, dass eine Vergesellschaftung von Unternehmen mit über 3.000 Wohnungen rechtlich gerechtfertigt sei. Uneinigkeit herrschte jedoch über die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs ins private Eigentum. Während zehn Mitglieder dem Vorhaben zustimmten, äußerten drei Bedenken und schlossen eine Vergesellschaftung nicht aus. Die vorgeschlagenen Entschädigungen für die betroffenen Unternehmen variieren stark, mit Schätzungen zwischen 7,3 und 36 Milliarden Euro für insgesamt etwa 200.000 betroffene Wohnungen.
Ein zentraler Punkt in der Diskussion ist die Finanzierung des Gutachtens. Zwischen den Senatsfraktionen gibt es einen Disput über die Kosten, die geklärt werden müssen, um Verzögerungen im Prozess zu vermeiden. Die SPD plant, das Thema in ihrer Fraktionsklausur an diesem Wochenende erneut auf die Agenda zu setzen. Grüne und Linke werfen der Regierung vor, die Umsetzung des Gesetzes hinauszuzögern, während die CDU das Vorhaben weiterhin ablehnt.
Ausblick und erneute Volksabstimmung
Trotz der vorangegangenen Zustimmung der Berliner zur Vergesellschaftung gibt es gegenwärtig heftige Diskussionen über die Modalitäten. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ kündigte im September 2023 an, einen weiteren Gesetzes-Volksentscheid zur Vergesellschaftung von Wohnraum zu initiieren. Ziel ist es, eine konkrete Gesetzesvorlage zur Abstimmung zu bringen, die rechtliche und organisatorische Details selbst regelt.
Die Bürgerinitiative, die 2018 gegründet wurde, sieht sich als Antwort auf die steigenden Mieten in Berlin und die unzureichende Instandhaltung durch große Immobilienfirmen. Mit ca. 110.000 Wohnungen war die Deutsche Wohnen der größte Vermieter in der Stadt und gehört seit 2021 zum Vonovia-Konzern. Die Diskussion um die Vergesellschaftung hat daher sowohl soziale als auch wirtschaftliche Dimensionen, die in der Berliner Politik und Gesellschaft weiterhin für Reibung sorgen werden.
Das Gesetz würde, sofern es verabschiedet wird, nach zwei Jahren in Kraft treten, um eine rechtliche Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Solche regulatorischen Maßnahmen könnten umfassende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt und die soziale Struktur Berlins haben.