Seit dem Sturz des Assad-Regimes Ende letzten Jahres zeigt sich in Syrien eine ambivalente Stimmung unter der Bevölkerung, die von Erleichterung und gleichzeitig wachsender Unsicherheit geprägt ist. Christoph Johnen, Leiter der Internationalen Zusammenarbeit des Deutschen Roten Kreuzes, besucht seit 2013 regelmäßig Syrien, um die Lage vor Ort zu beurteilen. In seinem jüngsten Bericht hebt er hervor, dass die Zukunft des Landes von zahlreichen offenen Fragen bestimmt ist, insbesondere hinsichtlich der politischen Entwicklungen und des Wiederaufbaus. Diese Themen standen im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz, die kürzlich in Paris stattgefunden hat.

Bei diesem Treffen, dem dritten seit dem Ende der Assad-Ära und dem ersten unter der Trump-Administration, waren zahlreiche hochrangige Vertreter anwesend. Dazu gehörten Außenministerin Annalena Baerbock aus Deutschland, Abgesandte aus der Türkei, arabischen Staaten, Libanon, Jordanien sowie Vertreter der UN und EU. Besonders bemerkenswert war der erstmalige Besuch eines Vertreters der syrischen Übergangsregierung in der EU seit der Machtübernahme durch die extremistischer Gruppierung Hayat Tahrir al-Sham (HTS). Während des Treffens betonte Emmanuel Macron die Wichtigkeit, die Souveränität Syriens zu schützen und eine repräsentative Regierung zu entwickeln.

Die Herausforderungen des Wiederaufbaus

An den internationalen Gesprächen wird deutlich, dass der Wiederaufbau Syriens eine mammutartige Aufgabe darstellt, die von verschiedenen Herausforderungen geprägt ist. Baerbock erkannte die Dringlichkeit, die Verbrechen, die während der Assad-Diktatur begangen wurden, aufzuarbeiten. Dies wird umso komplizierter durch die humanitäre Situation und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die durch jahrelange Kriege und Konflikte stark beeinträchtigt wurden. Syrien benötigt schätzungsweise zwischen 250 und 1 Billion US-Dollar für den Wiederaufbau, während die offizielle Wechselkursrate derzeit bei 515 Pfund pro Dollar liegt.

Die fortwährenden Sanktionen der EU gegen Syrien, die seit 2011 gelten, belasten die wirtschaftliche Erholung. Dennoch gab es Anfang des Jahres Fortschritte, als sich die EU-Außenminister auf eine schrittweise Lockerung dieser Sanktionen einigten. Laut Johnen könnte ein Stillstand in der politischen Entwicklung das Vakuum für unerwünschte Akteure öffnen, was die Region weiter destabilisieren könnte.

Die Humanitäre Lage

Zusätzlich zu den politischen und wirtschaftlichen Fragen gibt es auch gravierende humanitäre Herausforderungen. Syrien gilt als eines der am stärksten sanktionierten Länder der Welt, was drastische soziale Folgen hat. Die Flüchtlingsbevölkerung ist enorm, mit etwa 3,6 Millionen in der Türkei, 900.000 im Libanon und 650.000 in Jordanien. Die UN stellte 2014 die Zählung der Todesopfer ein, Schätzungen deuten jedoch auf über 100.000 Todesfälle in Gefängnissen hin.

Die dokumentierten Verbrechen in Syrien, die von Belagerungen bis hin zu gezielten Angriffen auf Zivilisten reichen, werfen einen Schatten auf die Aussichten des Wiederaufbaus. Gesetz Nr. 10 aus dem Jahr 2018 ermöglicht Enteignungen von Privateigentum, was die Rückkehr und Integration von Flüchtlingen zusätzlich erschwert.

Die Situation in Syrien bleibt also angespannt und ungewiss. Die internationale Gemeinschaft, vertreten durch neue Formate und Gespräche, kämpft darum, eine stabile und gerechte Lösung für das Land zu finden, während gleichzeitig das Ausmaß der humanitären Krise nicht vergessen werden darf.