WAVE OF EMOTION: Der Auftritt des evangelischen Pastors Quinton Ceasar auf dem Kirchentag in Nürnberg erschien vor einem Jahr wie ein Blitzschlag. „Gott ist queer“ – dieser mutige Satz löste ein erbittertes Echo aus, von Jubel bis zu † Morddrohungen. Die Debatte rund um Selbstbestimmung und Toleranz gegenüber Transmenschen entbrannte im Sturm!
Fragestellungen, die bis heute nachhallen: Wie weit darf Toleranz gehen? Und wie sieht die Antwort von Transmenschen auf Andersdenkende aus? Inmitten dieser Spannungen stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt die Kirche in diesem explosiven Thema? Torsten Krannich, der Dekan des Kirchenbezirks Ulm, gewährt im Interview spannende Einblicke.
Engagement beim Christopher Street Day
Ein wichtiges Zeichen setzt Krannich beim Christopher Street Day (CSD) in Ulm und Neu-Ulm. Warum ist ihm dieser Auftritt so wichtig? „Ich freue mich, dass die Kirche hier eingeladen wurde!”. Seine persönlichen Erfahrungen nach einem Coming-out in der Familie haben ihn geprägt und ihm die Augen für das Unverständnis geöffnet, das solche Offenbarungen oft nach sich ziehen.
„Homosexualität hat in der Vergangenheit viel Schmerz und Misstrauen in der Kirche verursacht. Wir waren nicht die Guten“, sagt er unverblümt. Und ganz ehrlich, das Vertrauen muss jetzt neu aufgebaut werden. Krannich hat die Wut und Frustration vieler Menschen verstanden, die angesichts der kirchlichen Verweigerungshaltung aus Protest zur Kirchenaustrittstafeln greifen.
Aber wie soll die Kirche das verlorene Vertrauen zurückgewinnen? „Wir müssen Räume des Gesprächs schaffen, in denen queere Menschen ihre Geschichten erzählen können“, betont er. Ein Schritt in die richtige Richtung: Homosexuelle Trauungen sind im Ulmer Münster jetzt Realität!
Die Frage nach Gottes Vielfalt
Ein brisantes Thema bleibt die Frage nach der Geschlechtsidentität Gottes: Ist Gott männlich, weiblich, non-binär oder sogar transgender? „In der Bibel gibt es unzählige Beschreibungen Gottes, als Vater, als Richter, oder als tröstende Mutter“, erklärt Krannich. Der Dialog mit der queeren Bewegung könnte der Kirche helfen, ein klareres Bild von Gott zu entwickeln.
Aber was hält er vom umstrittenen Satz „Gott ist queer” aus Ceasars Rede? „Wenig glücklich“, urteilt er. Diese Radikalisierung hat die Tiefe der eigentlich gemeinten Vielfalt Gottes nicht widergespiegelt. „Viel wichtiger ist zu sagen: Gott ist weit mehr, als wir denken.“
Das neue Selbstbestimmungsgesetz sorgt für hitzige Diskussionen: Darf jemand, der als Mann geboren wurde, in die Damensauna? Die Kirche hat hier keine einfache Antwort. Krannich verdeutlicht, dass sich hier zwei grundlegende Schutzrechte gegenüberstehen, das Abwägen ist knifflig!
In der Gesellschaft gibt es noch viel zu lernen, um andere Lebensentscheidungen zu akzeptieren. „Zwei Männer, die auf der Straße Händchen halten, sind mittlerweile keine Sensation mehr – das ist der Fortschritt und so soll es auch bleiben!”, so Krannich abschließend.
Torsten Krannich, 51 Jahre alt, ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Vor seinem Amtsantritt in Ulm lebte er auf der Ostalb. Während seine Freizeit oft mit der Forschung und Publikation zu kirchen- und kunsthistorischen Themen gefüllt ist, ist Krannich außerdem ein leidenschaftlicher Nutzer sozialer Medien und interessiert sich für Digitalisierung.
Die Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf den kommenden Christopher Street Day in Ulm/Neu-Ulm am Samstag, den 14. September. Die Eröffnungsdemonstration wird um 15 Uhr am Münsterplatz beginnen, gefolgt von einem aufregenden Programm auf der Bühne!