Für viele Menschen, die ihr Gesicht nicht kennen, verschwimmen die Züge von Cathy Chatelain, der ehemaligen Sénéchal, mit denen der Schauspielerin Hafsia Herzi, die im Film „Borgo“ von Stéphane Demoustier, inspiriert von ihrer Geschichte, diskret und strahlend ist. Vor dem Schwurgericht der Bouches-du-Rhône, wo sie zusammen mit dreizehn anderen Angeklagten wegen „Mordes“ angeklagt ist, erscheint „die Aufseherin“ jedoch als eine Frau ohne Profil.
Mit fast fünfzig Jahren, langen kastanienbraunen Haaren, die auf einer formlosen grauen Weste fallen und gelegentlich ihre tätowierten Unterarme freilegen, wirkt die ehemalige Gefängniswärterin verunsichert und spricht zu Beginn der Verhandlungen am vergangenen Montag mit rauer und kaum hörbarer Stimme.
Obwohl sie zunächst eingeschüchtert war, gewöhnt sie sich nun allmählich an das juristische Drama und wird durch die Nähe zu denen, die die Anklage als die Erben der kriminellen Bande Brise de mer präsentiert, gestärkt. „Ich habe mir diese Maske der Kälte zugelegt, die man mir seit sechs Jahren vorwirft, aber die mir all die Jahre sehr geholfen hat“, rechtfertigt sie sich, während sie mit beiden Händen fest auf dem Pult des Angeklagtenstandes steht und an ihre von einem abwesenden Vater, einer überforderten Mutter und einem missbräuchlichen Stiefvater geprägte Kindheit erinnert.