Am 27. Februar 2025 findet in Dietfurt an der Altmühl im Kreis Neumarkt in der Oberpfalz der alljährliche Chinesenfasching statt, eine Veranstaltung, die mehr als 18.000 Besucher anzieht. Die 6.000-Einwohner-Gemeinde hat sich im Vorfeld darauf vorbereitet, ihre Straßen in ein bayerisches China zu verwandeln, traditionell begleitet von einer ausgefallenen Parade mit über 1.500 Teilnehmern. Besonders auffällig sind die geschmackvollen goldfarbenen Kaisergewänder, die vom Kaiserpaar „DaKaRe“ und „DiMucki“ getragen werden. Diese Tradition, die ihren Ursprung in den 1950er Jahren hat und auf einen historischen Spitznamen für die Dietfurter zurückgeht, steht seit einigen Jahren jedoch unter scharfer Beobachtung aufgrund von Rassismusvorwürfen.

Diese Vorwürfe wurden besonders durch ein TikTok-Video verstärkt, in dem die Veranstaltung als potenziell rassistisch kritisiert wurde. In Reaktion darauf hat die Stadtverwaltung Anpassungen vorgenommen, darunter die Entfernung älterer Bilder von der Veranstaltung und die Herstellung asiatisch anmutender Kostüme aus „Originalstoffen aus China“. Der Chinesenfasching wurde im März 2022 sogar zum immateriellen Kulturerbe Bayerns erklärt, was die kulturelle Bedeutung der Feierlichkeiten unterstreicht.

Ein Blick auf die Feierlichkeiten

Wie Visa berichtet, erleben die Teilnehmer ein Fest, das mit einem Weckruf um 1 Uhr morgens beginnt, bei dem eine Gruppe von Clowns die Stadt durchzieht. Die Festlichkeiten zeugen sowohl von ernsthaftem Engagement als auch von einer gewissen Naivität gegenüber der kulturellen Substanz, die sie symbolisieren sollen. Der 56-jährige Teilnehmer Franz beschreibt die Feierlichkeiten als eine ehrwürdige Tradition, wobei einige Einwohner von Dietfurt echtes Interesse an der chinesischen Kultur zeigen. Ein bemerkenswerter Aspekt ist, dass die Stadt eine kulturelle Partnerschaft mit Nanjing in China pflegt und der neue Generalkonsul der Volksrepublik China seinen Besuch angekündigt hat.

Die Umstrittenheit, die den Chinesenfasching umgibt, wirft jedoch die Fragen auf, wie kulturelle Aneignung aussieht und wie sie in der heutigen Gesellschaft wahrgenommen wird. Der Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst zieht in seinem Buch „Kulturelle Aneignung“ einen Zusammenhang zwischen Macht und Kultur. Er argumentiert, dass die Verwendung kultureller Symbole aus anderen Kulturen oft von einer starken Dominanz geprägt ist, die zu einer Verzerrung der ursprünglichen Bedeutung führt. In diesem Kontext könnte der Chinesenfasching als Beispiel dafür dienen, wie bayerische Traditionen Elemente der chinesischen Kultur aufnehmen, ohne deren Wahrhaftigkeit und Respekt zu gewährleisten.

Traditionen und Herausforderungen

Die lange Tradition des Chinesenfaschings geht zurück auf eine Episode aus der Geschichte der Dietfurter, bei der ein Schatzmeister des Bischofs von Eichstätt abgewiesen wurde. Im Jahr 1928 fand die erste Verkleidung in asiatischen Kostümen statt, die folglich zur Grundlage des heutigen Fests wurde. Der Autor von Visa beschreibt, wie Manfred Koller, der als „Kaiser Fu-Gao-Di“ auftritt, seine Rolle mit ernstem Engagement ausfüllt und fest davon überzeugt ist, dass seine Absichten nicht beleidigend sind. Der kulturelle Austausch zwischen Dietfurt und China wird durch die Einladungen an chinesische Kulturvereine und durch das jährliche Erscheinen des Generalkonsuls der Volksrepublik China verstärkt.

Die Debatte über Begriffe wie kulturelle Aneignung und die damit verbundenen gesellschaftlichen Implikationen sind heutiger denn je relevant. Laut Distelhorst sind die größten Diskussionen über kulturelle Aneignung oft in den Bereichen Mode und Konsum zu finden, wo exotisch vermarktete kulturelle Symbole zwar profitabel sind, jedoch selten den ursprünglichen Gemeinschaften zugutekommen.

Insgesamt zeigt sich, dass der Chinesenfasching ein faszinierendes, jedoch auch herausforderndes Thema in Bezug auf Rassismus und kulturelle Aneignung verkörpert. Während das Fest auf eine lange Tradition zurückblicken kann, bleibt die Frage, wie zeitgemäß und respektvoll diese Tradition in einer zunehmend sensiblen Gesellschaft ist, offen und wird sicherlich weiterhin für Diskussionen sorgen.