Außenministerin Annalena Baerbock hat während ihrer kürzlichen Reise nach Syrien von der 2012 geschlossenen deutschen Botschaft in Damaskus aus berichtet und beschreibt den Besuch als „wie eine Zeitreise“. Das Botschaftsgebäude, das während des Assad-Regimes ungenutzt blieb, zeigt sichtbare Spuren des Konflikts. In einem Video, das sie aus dem dunklen und verstaubten Ort geteilt hat, fallen mehrere Einschusslöcher in den Fenstern ins Auge. Aufgrund eines Stromausfalls war die Sicht im Gebäude eingeschränkt, was die eindrückliche Atmosphäre noch verstärkte. Baerbock stellt fest, dass es noch lange dauern wird, bis die Botschaft wiedereröffnet werden kann, und betont, dass ein politischer Prozess in Syrien notwendig ist, um eine stabile Zukunft zu schaffen. Sie ist die erste EU-Außenministerin, die Damaskus besucht, und reist zusammen mit dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot, um die derzeitige Lage im Land zu erkunden und Gespräche zu führen.
Die Reise kommt 12 Jahre nach der Schließung der deutschen Botschaft aufgrund des Syrischen Bürgerkriegs. Trotz der Schließung blieben Kontakte zur syrischen Opposition, Zivilgesellschaft und Hilfsorganisationen bestehen. Tobias Lindner, sonderbeauftragter Koordinator der Bundesregierung für Syrien, hebt hervor, dass eine Zukunft für die Syrer in Sicherheit und Würde von entscheidender Bedeutung ist. Baerbock hat einen Acht-Punkte-Plan entwickelt, der darauf abzielt, einen friedlichen Machtwechsel zu unterstützen. Dieser Plan sieht eine zivile Regierung vor, die alle Minderheiten und politischen Gruppen einbezieht.
Herausforderungen und Chancen für Syrien
Die Situation in Syrien bleibt angespannt, denn die von Islamisten dominierte Übergangsregierung plant, Wahlen erst in vier Jahren abzuhalten. Während einige militante Gruppen wie die HTS-Milizen diplomatische Signale senden, werden sie von den Vereinten Nationen als Terrororganisation gelistet. Baerbock äußerte, dass HTS an ihren Taten gemessen werden muss, und kündigte an, dass direkte Kontakte intensiviert werden sollen. Dies geschieht unter der Bedingung, dass ethnische und religiöse Minderheiten geschützt, die Rechte von Frauen geachtet und Racheakte verhindert werden.
Der Kampf für ein freies Syrien sei jedoch noch nicht gewonnen, so Baerbock. Die Bundesregierung plant, kurzfristig acht Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitzustellen. Zudem bietet Deutschland Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes, der rechtlichen Aufarbeitung von Straftaten sowie der Beseitigung von Chemiewaffen an. Es wird erwartet, dass die Bundesregierung sich an einem diplomatischen Balanceakt versuchen wird, der politischen Druck und humanitäre Hilfe in Einklang bringt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Notwendigkeit betont, die Chance für Demokratie und ein sicheres Leben in Syrien zu nutzen, bevor das neue Jahrzehnt anbricht. Baerbock warnt indes vor einer möglichen Einmischung der Türkei und Israel in die Syrienfrage und plant Treffen mit europäischen Außenministern, um über die weiteren Schritte im Zusammenhang mit Syrien zu diskutieren. Der Weg zu einem stabilen und demokratischen Syrien bleibt somit mit vielen Herausforderungen, aber auch neuen Chancen behaftet.
Focus berichtet über die Eindrücke von Annalena Baerbock aus Damaskus. Ergänzende Informationen über die Kontroversen und politischen Bestrebungen finden sich bei Tagesschau. Zudem wird der geopolitische Kontext in Bezug auf die Entwicklungen in Syrien auf Tagesschau ausführlich behandelt.