Baden-Württemberg

Zweite Meinung vor Operation: Baden-Württemberg bleibt skeptisch

In Baden-Württemberg nutzen nur wenige Patienten die Möglichkeit, vor geplanten Operationen eine zweite medizinische Meinung einzuholen, obwohl gesetzliche Krankenkassen und Experten dringend dazu raten, um unnötige Eingriffe zu vermeiden und die informierte Entscheidungsfindung zu fördern.

In Baden-Württemberg gibt es eine alarmierende Diskrepanz zwischen der Zahl der durchgeführten Operationen und der Inanspruchnahme von Zweitmeinungen durch Patienten. Eine aktuelle Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) hat ergeben, dass im vergangenen Jahr nur etwa 7.000 Patienten von ihren behandelnden Ärzten über die Möglichkeit informiert wurden, eine zweite Meinung einzuholen, obwohl in der Region insgesamt rund 150.000 planbare Operationen stattfanden.

Besonders betroffen sind häufige Eingriffe wie Kniegelenkersatz, Schulterarthroskopien und Wirbelsäulenoperationen, bei denen jeweils mehrere Tausend Eingriffe durchgeführt werden. Laut der TK ist es wichtig, dass Patienten sich über alle verfügbaren Optionen im Klaren sind, bevor sie sich für einen operativen Eingriff entscheiden.

Das ungenutzte Potenzial der Zweitmeinung

Die geringe Anzahl an Patienten, die eine zweite Meinung einholen, könnte auf die unzureichende Information durch behandelnde Ärzte zurückzuführen sein. Nadia Mussa, die Leiterin der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg, äußerte sich besorgt über diese Tatsache. „Ärzte müssen mindestens zehn Tage vor geplanten Operationen auf die Möglichkeit hinweisen, sich eine Zweitmeinung einzuholen“, erklärt Mussa. Diese Zweitmeinung kann den Patienten dabei helfen, eine informierte Entscheidung zu treffen und möglicherweise eine unnötige Operation zu vermeiden.

Ein interessanter Aspekt ist, dass Patienten diesen Prozess auch bequem in der Form von Videosprechstunden durchführen können. Ärzte stellen dann alle relevanten Befunde zusammen, sodass Experten eine qualifizierte Zweitmeinung abgeben können. „Die gesetzlichen Möglichkeiten sollten genutzt werden, um unnötige Operationen und die damit verbundenen Risiken zu vermeiden“, fordert Mussa.

Der Sprecher der TK, Hubert Forster, sieht darin ein Zeichen für das Fehlen einer ausgeprägten Zweitmeinungskultur in Deutschland. „Wir haben noch keine wirkliche Zweitmeinungskultur in Deutschland, die Kenntnis dieses Angebots muss sich erst durchsetzen“, sagt Forster. Dies zeigt, dass es an der Zeit ist, das Bewusstsein für die Vorteilsangebote der Zweitmeinung zu schärfen.

Die Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg (BWKG) unterstützt die Initiative zur hemmungslosen Inanspruchnahme von Zweitmeinungen. Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der BWKG, betont, dass jeder Patient das Recht habe, sich vor einem geplanten Eingriff eine zweite Meinung einzuholen. „Das sollte in erster Linie dazu dienen, die bestmögliche Lösung für den Patienten zu finden“, stellt Einwag klar. Eine Zweitmeinung zu holen, müsse nicht als Affront gegen den behandelnden Arzt gesehen werden; vielmehr ermögliche es dem Patienten, informierte Entscheidungen über seine Gesundheit zu treffen.

Winfried Plötze, der Landesgeschäftsführer der Krankenkasse Barmer in Baden-Württemberg, bekräftigt, dass eine Zweitmeinung nichts Negatives sei. „Es ist ein Ausdruck der Souveränität der Patienten“, sagt Plötze. Immer mehr Menschen möchten aktiv an den Entscheidungen beteiligt sein, die ihre Gesundheit betreffen. Der Zugang zu Zweitmeinungen sollte in der medizinischen Gemeinschaft gefördert werden, um die Sicherheit der Patienten in der gesamten medizinischen Versorgung zu erhöhen.

Für Patienten ist es auch wichtig zu wissen, bei welchen Eingriffen sie Anspruch auf eine Zweitmeinung haben. Dazu gehören unter anderem Mandeloperationen, Gebärmutterentfernungen, bestimmte Amputationen sowie die Implantation eines Herzschrittmachers. Notfalloperationen sind von dieser Regelung jedoch ausgeschlossen. In der Region stehen derzeit erst rund 200 Ärzte zur Verfügung, die Zweitmeinungen anbieten, was zeigt, dass auch hier noch Handlungsbedarf besteht.

Insgesamt zeigt die Situation in Baden-Württemberg, dass viel mehr Patienten von ihrem Recht auf eine Zweitmeinung Gebrauch machen sollten, um informierte Entscheidungen über ihre medizinische Versorgung zu treffen. Die Informationsschieflage zwischen Ärzten und Patienten muss angegangen werden, und es bedarf einer verstärkten Aufklärung über die Bedeutung und die Verfahren zum Einholen einer zweiten Meinung.

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