Der Missbrauchsskandal im deutschen Turnen zieht immer weiter Kreise. Aktuell erhebt der ehemalige männliche Athlet Jan Gehrung schwerwiegende Vorwürfe gegen das Stuttgarter Kunstturnforum. In einem Bericht der Badischen Neueste Nachrichten (BNN) kritisiert Gehrung die unzureichende Beachtung seines körperlichen und mentalen Wohlbefindens während seiner Trainingszeit vor etwa zehn Jahren. Er schildert Erlebnisse, in denen er und andere Jungen in seiner Gruppe aufgrund von „Schimpftiraden und Demütigungen“ oft in Tränen ausbrachen. Ein Trainer habe sich zudem nicht um Verletzungen und Schmerzen gekümmert und Gehrung vor seinen Kollegen bloßgestellt.

In der Diskussion über die Vorwürfe wird deutlich, dass Gehrung nicht der einzige ist, der sich zu den schlechten Bedingungen äußert. Der Schwäbische Turnerbund (STB) hat bislang keine Kenntnis von seinen Aussagen und möchte die Vorwürfe an Vertrauenspersonen weiterleiten. Es ist geplant, Kontakt zu Gehrung aufzunehmen. Diese Vorfälle stehen in einem größeren Zusammenhang, da seit Ende Dezember zahlreiche Aussagen ehemaliger Turnerinnen aus der Szene veröffentlicht wurden, die ähnliche Missstände an deutschen Stützpunkten anprangern.

Reaktionen und weitere Vorwürfe

Michelle Timm, eine ehemalige Auswahlturnerin, hat öffentlich schwere Vorwürfe gegen die Arbeit am Bundesstützpunkt Stuttgart erhoben, einschließlich „systematischem körperlichen und mentalen Missbrauch“. Diese Enthüllungen, die etwa zeitgleich mit Gehrungs Aussagen auftauchen, haben für viel Aufregung gesorgt. Laut der Badischen Zeitung (Badische Zeitung) äußerte Timm, dass sie vor dem Jahreswechsel mit diesen Anschuldigungen an die Öffentlichkeit trat, um auf die katastrophalen Umstände aufmerksam zu machen.

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) sowie der STB sind nun mit der Aufklärung der Vorwürfe betraut und haben eine Kanzlei aus Frankfurt am Main engagiert. In diesem Kontext wurden auch zwei Übungsleiter von ihrer Tätigkeit im Stuttgarter Kunstturnforum freigestellt. Timm selbst, die mittlerweile als Trainerin für Nachwuchsturner zwischen sieben und neun Jahren arbeitet, berichtet von gemischten Reaktionen auf ihre öffentlichen Vorwürfe, erhält jedoch überwiegend positive Rückmeldungen in den sozialen Medien. Sie hofft, dass die Verantwortlichen die Anliegen der Athlet:innen ernst nehmen und Missstände zeitnah beseitigen.

Prävention im Leistungssport

Die aktuelle Diskussion beleuchtet nicht nur die spezifischen Vorwürfe, sondern wirft auch grundlegende Fragen zur Prävention von Gewalt und Missbrauch im Leistungssport auf. Laut der Website Hogrefe (Hogrefe) ist ein systemisches Verständnis sowie eine entsprechende Ausbildung von Trainer*innen und die Einbeziehung von Eltern entscheidend. Hierbei müssen Maßnahmen zum Schutz von Athlet*innen sowie zur Wahrung seiner Menschenrechte unbedingt priorisiert werden.

Die Balance zwischen strengen Trainingsmethoden und dem wohlwollenden Umgang mit Athlet*innen ist essenziell. Ein transparenter Umgang in Trainingsstrukturen sowie klare Beziehungen zwischen Trainer*innen und Sportler*innen sind notwendig, um Missbrauch und Gewalt vorzubeugen. Der Weg zur Umsetzung dieser präventiven Maßnahmen setzt sowohl den Willen als auch die Fähigkeit aller Beteiligten voraus.