Die Missbrauchsvorwürfe gegen den Deutschen Turner-Bund (DTB) werfen einen dunklen Schatten auf den deutschen Leistungssport. Am 9. Februar 2025 äußerte DTB-Präsident Alfons Hölzl besorgt, dass die Organisation nicht betriebsblind sei und weitere Missbrauchsfälle nicht ausgeschlossen werden können. Die turbulente Situation hat sich seit Ende Dezember zuspitzen können, als zahlreiche ehemalige Turnerinnen und Turner über gravierende Missstände in den Turn-Zentren Stuttgart und Mannheim berichteten.

Besonders hervorgehoben werden autoritäre Trainingsmethoden, die als systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch beschrieben werden. Elisabeth Seitz, die bis 2015 am Stützpunkt Mannheim trainierte, und Michelle Timm, eine frühere Turnerkollegin, berichteten von „katastrophalen Umständen“ und schockierenden Praktiken in den Trainingszentren.

Reaktionen und Ermittlungen

Im Rahmen dieser Vorwürfe wurden zwei Trainer am Kunst-Turn-Forum Stuttgart bis auf Weiteres freigestellt. Auch die Ex-Bundestrainerin Ulla Koch sah sich gezwungen, ihr Amt als Vizepräsidentin vorübergehend niederzulegen. Hölzl kündigte an, dass bei nachgewiesenem Fehlverhalten personelle Konsequenzen folgen werden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat bereits Ermittlungen gegen einen ehemaligen Trainer des Stuttgarter Kunst-Turn-Forums wegen Nötigung eingeleitet, was zu Durchsuchungen in mehreren Objekten führte, einschließlich der Geschäftsstelle des Schwäbischen Turnerbundes.

Ehemalige Spitzenturnerin Tabea Alt, die bereits vor drei Jahren in einem Brief an verschiedene Verantwortliche auf Missstände hingewiesen hatte, nutzte kürzlich Instagram, um erneut auf die schwerwiegenden Probleme im Trainerteam aufmerksam zu machen. Sie berichtete von Essstörungen, Straftraining und dem Einsatz von Schmerzmitteln, die an der Tagesordnung waren. Timm unterstützt Alt und hebt hervor, dass es massive Probleme im Coach-Team im weiblichen Bereich gibt. Diese Entwicklungen sind besonders besorgniserregend, da sie deutlich machen, dass der DTB konkrete Informationen zu Fehlverhalten von Trainern vorliegen hat.

Unterstützung und weitere Schritte

Der DTB hat die Behördenuntersuchungen unterstützt und plant, eine Kanzlei aus Frankfurt am Main mit der Untersuchung der Vorwürfe zu beauftragen. Neben der systematischen Überprüfung der Missstände wird ein unabhängiger, interdisziplinär besetzter Expertenrat gebildet. Dieser soll sich mit der Aufklärung möglicher Fehler innerhalb des Leistungssportsystems, insbesondere im Umgang mit Hinweisen zu regelmäßigem Fehlverhalten, befassen. Der DTB versucht damit, das Vertrauen wiederherzustellen und adäquate Maßnahmen zur Unterstützung seiner Athlet*innen zu entwickeln.

Experten warnen, dass die Prävention im Leistungssport Verständnis und Unterstützung von allen Beteiligten erfordert. Hierbei ist es wichtig, Athlet*innen in den Mittelpunkt zu stellen, sodass sie ihre Sportart mit Freude und Ausdauer ausüben können. Die Balance zwischen Härte und Fürsorge, sowie Verantwortung und Transparenz in den Trainingsstrukturen ist entscheidend, um Gewalt und Missbrauch zu verhindern. Der DTB könnte dabei eine Vorreiterrolle spielen, sollte er die nötigen Veränderungen ernsthaft umsetzen, um den Athlet*innen eine sichere und unterstützende Umgebung zu bieten.

In der aktuellen Debatte um Missbrauchsvorwürfe im Leistungssport wird deutlich, dass nicht nur der DTB, sondern auch andere Verbände gefordert sind, klare Konzepte für psychische Gesundheit, Ethik, Kinderschutz und den verantwortungsvollen Umgang mit Grenzverletzungen zu entwickeln. Die Tragödie, die sich um die Athlet*innen entfaltet, ist nicht nur ein Hinweis auf individuelle Verfehlungen, sondern auf systematische Probleme, die dringend angegangen werden müssen.

Für weitere Informationen zu den Vorwürfen und den geplanten Maßnahmen des DTB verweisen wir auf die Artikel von tz.de und sueddeutsche.de.

Zusätzliche Informationen zur Thematik von Gewalt und Missbrauch im Leistungssport bieten die umfassenden Analysen auf hogrefe.com.