Tabea Alt, eine ehemalige Leistungsturnerin, hat den Deutschen Turner-Bund (DTB) scharf dafür kritisiert, dass die Aufklärung über Missstände im Kunst-Turn-Forum Stuttgart verschleppt wird. In einem Brief an den Verband, den sie im Jahr 2021 verfasste, machte sie auf gravierende Probleme aufmerksam, fühlte sich anfangs gehört, doch bald darauf ignoriert. Alt äußert den Eindruck, dass der DTB die Angelegenheit im Sand verlaufen lasse. In der aktuellen Debatte haben Alt und andere Turnerinnen, darunter Michelle Timm, erneut Missbrauchsvorwürfe erhoben, die von „systematischem körperlichem und mentalem Missbrauch“ zeugen, was die Ernsthaftigkeit der Situation unterstreicht.
Der DTB sowie der Schwäbische Turnerbund haben zwar eine Aufklärung angekündigt und zwei Trainer bis Sonntag freigestellt, dennoch ist Alt unzufrieden mit dem Fortschritt. Kalle Zinnkann, der Vorsitzende des DTB, ließ verlauten, dass in der kommenden Woche Informationen zum Aufarbeitungsprozess veröffentlicht werden. Alt fordert mehr Transparenz und betont die Notwendigkeit, unabhängige Fachleute und Kontrollinstanzen einzubinden, um Alibimaßnahmen zu verhindern.
Erfahrungen und Herausforderungen im Leistungssport
Tabea Alt, die seit ihrem achten Lebensjahr trainierte und an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teilnahm, hat körperliche und seelische Narben aus ihrer Karriere zurückbehalten. Sie gewann 2017 Bronze am Schwebebalken bei den Weltmeisterschaften und tritt nun als Stimme gegen Missstände im Leistungssport auf. Alt trägt das Gewicht der jahrelangen seelischen und körperlichen Misshandlungen, die ihrer Auffassung nach im Leistungssport verbreitet sind. Ihre entmutigenden Erfahrungen, verbunden mit gesundheitlichen Problemen, wurden während ihrer aktiven Zeit ignoriert. Ein Beispiel hierfür sind Ellenbogenprobleme im Jahr 2014, die zunächst nicht ernst genommen wurden, bis sich ein gebrochener Radiuskopf herausstellte.
Der immense Druck im Leistungssport hat nicht nur Auswirkungen auf die Athletinnen, sondern kann auch zu Manipulation und Abhängigkeit führen. Alt zeigt sich enttäuscht darüber, dass auch die aktuellen Turnerinnen im Kunst-Turn-Forum Stuttgart ähnliche Erfahrungen machen. Der DTB und STB versichern zwar, dass sie Beschwerden ernst nehmen, doch die Forderung nach einer grundlegenden Veränderung der Sportkultur bleibt bestehen, um zukünftige Talente zu schützen.
Ein weit verbreitetes Problem
Die Diskussion über interpersonale Gewalt im Leistungssport ist nicht neu. Laut einer Vielzahl von Studien zeigt sich, dass viele Sportler:innen im Laufe ihrer Karriere Gewalt erfahren, wobei psychische Gewalt bei 60-72% der Athlet:innen vorkommt. Die Olympischen Spiele, oft der Höhepunkt der Karriere, erhöhen den Druck, was zu einem Umfeld führen kann, in dem Missbrauch übersehen oder als normalisiert gilt. Ursachen wie intensive Trainingsumgebungen sowie das Machtgefälle zwischen Athleten und Trainern vergrößern das Risiko für interpersonale Gewalt.
Um dem entgegenzuwirken, sind bereits Initiativen und Projekte wie „Safe Clubs“ in Entwicklung, die evidenzbasierte Präventionsmaßnahmen implementieren möchten. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, klare Vorschriften und internationale Zusammenarbeit zu etablieren, um missbräuchliche Praktiken im Sport zu verhindern. Es besteht ein dringender Bedarf an kulturellen Veränderungen, um das Wohl der Sportler:innen zu schützen und zu fördern.