Kim Janas, eine ehemalige Turnerin, hat schwerwiegende Vorwürfe über Missbrauch im deutschen Turnsport erhoben. In einem eindringlichen Instagram-Post beschrieb die 2022 durch „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt gewordene Künstlerin die erschreckenden Bedingungen, unter denen sie während ihrer Zeit am Stützpunkt in Stuttgart trainierte. Janas, die ihre Karriere 2016 im Alter von 16 Jahren nach drei Kreuzbandrissen beendete, thematisiert den enormen Leistungsdruck und die toxischen Verhaltensweisen, die im Sport vorherrschten. Tägliches Wiegen und ständige Taschenkontrollen, um den Konsum von Süßigkeiten zu vermeiden, waren an der Tagesordnung. Bereits zu dieser Zeit litt Janas unter dem Druck, ein bestimmtes Körperbild zu erfüllen, wobei sie trotz eines Körperfettanteils von nur 9 Prozent als „dick“ bezeichnet wurde.

Diese Aussagen sind Teil einer wachsenden Welle von Berichten, die zahlreiche Turnerinnen zum Jahreswechsel zusammengebracht haben. Kim Bui, eine ehemalige Topturnerin, sprach von einem „kranken System“, in dem es als normal galt, mit Schmerzen und Verletzungen an Wettkämpfen teilzunehmen. Bui, die über 20 Jahre im Leistungssport tätig war, äußerte zudem Bedenken, dass die angekündigten Maßnahmen zur Aufklärung und Verbesserung der Zustände möglicherweise nicht ausreichen werden, um grundlegende Veränderungen herbeizuführen. Ebenso teilte Emilie Petz ihre Erfahrungen mit einer langjährigen Essstörung und den immensen Druck, der auf den Athletinnen lastete.

Wachsende Stimmen gegen das System

Janas‘ Schilderungen sind nicht isoliert. Auch andere ehemalige Turnerinnen wie Tabea Alt und Michelle Timm haben bereits öffentlich über die Missstände im deutschen Turnerbund (DTB) berichtet. Alt sprach von systematischem körperlichen und mentalen Missbrauch, Essstörungen und dem Demütigen von Athletinnen, was sie vor drei Jahren bereits öffentlich anprangerte. Währenddessen berichtete Lara Hinsberger, die bei den deutschen Meisterschaften 2019 lediglich 37 kg bei 1,60 m Körpergröße wog, von massiven psychischen und physischen Verletzungen, die sie durch das Training erlitten hat. Diese Berichte zeigen, dass der Missbrauch nicht nur Einzelereignisse sind, sondern Teil eines weit verbreiteten Problems im Leistungssport.

Die Schilderungen von Janas und anderen Betroffenen werfen ein grelles Licht auf die unverhältnismäßige Härte, die in vielen Trainingssystemen herrscht. Die Trainerinnen und Trainer scheinen oft mehr auf Leistung als auf das Wohlergehen der Athletinnen bedacht zu sein. Die unethische Ausbeutung von jungen Sportlerinnen steht damit im krassen Widerspruch zu den ethischen Standards, die im Leistungssport gefordert werden. Diese Missstände sind nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit der Athletinnen, sondern verstören auch den Glauben an die Integrität des Sports selbst.

Notwendige Maßnahmen zur Prävention

Experten betonen, dass erfolgreiche Prävention im Leistungssport ein umfassendes Verständnis und Unterstützung von allen Beteiligten erfordert. Dies beinhaltet nicht nur die Trainerinnen und Trainer, sondern auch die Einbindung von Eltern und Fachleuten. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Härte, Flexibilität und Menschlichkeit ist entscheidend, um Athletinnen vor Missbrauch und Grenzverletzungen zu schützen. Um die bestehenden Probleme nachhaltig zu lösen, müssen integrative und transparente Konzepte zur psychischen Gesundheit implementiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob die zuständigen Behörden auf die erschütternden Berichte reagieren werden und welche konkreten Schritte zur Verbesserung der Bedingungen unternommen werden.

In als unethisch empfundene Strukturen, die den Kindesschutz missachten und die Menschenrechte verletzen, ist eine grundlegende Veränderung nötig. Die Forderung nach mehr Transparenz in den Trainingsmethoden und das Klären der Rollen der Beteiligten sind ebenso entscheidend wie das Eingeständnis, dass in der Vergangenheit viel falsch gemacht wurde. Ein echter Wille zur Reform könnte in Zukunft Athletinnen helfen, in einem gesünderen Umfeld zu trainieren und sich zu entwickeln.

Ob und wie sich diese Vorwürfe auf die Strukturen im deutschen Turnsport auswirken werden, bleibt abzuwarten, doch die Diskussion hat spätestens jetzt hohe Wellen geschlagen. Die Stimmen der Betroffenen fordern nicht nur ein Ende des Missbrauchs, sondern auch eine grundlegende Neubewertung der Werte und Praktiken im Leistungssport.

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