Die Türkei hat erneut militärisch gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien und im Irak interveniert. Dabei wurden 32 Anhänger der kurdischen YPG in Nordsyrien neutralisiert, was höchstwahrscheinlich den Tod dieser Personen bedeutet. Zudem wurden im Nordirak vier weitere Anhänger der PKK, die als Terrororganisation eingestuft wird, ebenfalls neutralisiert. Details zum Vorgehen des türkischen Militärs wurden bisher nicht bekanntgegeben. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor erklärt, dass die Türkei die Kurdenmilizen in Nordsyrien zerschlagen wolle, was die angespannten Gegebenheiten in der Region weiter verschärft.

Die jüngsten militärischen Maßnahmen der Türkei finden in einem Kontext statt, in dem heftige Kämpfe zwischen Kurdenmilizen und von der Türkei unterstützten Kräften in der Umgebung von Manbidsch toben. Im Nordosten Syriens dauern die Kampfhandlungen an, wobei die pro-kurdischen Kräfte der SDF seit drei Wochen gegen islamistische Truppen der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kämpfen, um die Kontrolle über die wichtige Stadt Kobane zu erlangen. Die Lage in Syrien bleibt unsicher, insbesondere an den Grenzgebieten zur Türkei, wo Anwohner von stundenlangen Luftangriffen berichten.

Flucht und humanitäre Krise

Die stetigen Kämpfe haben dazu geführt, dass über 100.000 Kurden auf der Flucht sind. In den umliegenden Dörfern, insbesondere um Klhayde, haben viele Einwohner ihre Heimat verlassen müssen. Berichten zufolge sind zahlreiche Fahrzeuge der Anwohner durch die Kämpfe beschädigt worden, wodurch es vielen nicht möglich war, zu fliehen. In einer Zeltstadt 160 Kilometer südlich von Kobane mangelt es an humanitärer Hilfe, was die Situation für die Vertriebenen dramatisch verschärft.

Bei den Kampfhandlungen sind zunehmend auch Zivilisten betroffen, die unter extrem schlechten Bedingungen leiden. Ein Flüchtling äußerte, dass ohne internationale Unterstützung die Lage unhaltbar bleibt. Die Syrische Nationale Armee hat bereits gefordert, dass die kurdischen Streitkräfte kapitulieren und erklärt, dass die Kampfhandlungen keineswegs beendet seien.

Politische Dimensionen des Konflikts

Im Hintergrund der militärischen Konflikte steht die komplexe politische Geschichte des Kurdenkonflikts, der seit 1984 in der Türkei andauert. Schätzungen zufolge wurden in diesem Konflikt rund 40.000 Menschen getötet und über 3,5 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Trotz dieser Tragödien wurde die kurdische Identität in den vier Staaten, in denen die Kurden hervorgehen, nicht anerkannt. Diese historische Ungerechtigkeit hat zur Entstehung nationalistischer Bewegungen unter den Kurden geführt.

Abdullah Öcalan, der vor 25 Jahren vom türkischen Geheimdienst festgenommen wurde, hat nun zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt Besuch von einem politischen Vertreter der kurdischen DEM-Partei erhalten. Öcalan hat sich bereit erklärt, „die notwendigen positiven Schritte zu unternehmen“ und ruft zu Frieden auf. Dies bringt neue Spekulationen über eine mögliche Auflösung der PKK und ihrer Schwesterorganisation YPG mit sich, obwohl Experten darauf hinweisen, dass eine Reaktion der PKK auf diesen Friedensaufruf ungewiss bleibt.

Die Reformen der türkischen AKP-Regierung seit 2002 haben zwar einige individuelle Freiheiten ermöglicht, grundlegende kurdische Forderungen blieben jedoch unerfüllt. Die politischen Spannungen zwischen den kurdischen und türkischen Gemeinschaften wirken sich nicht nur auf den Nahen Osten, sondern auch auf das türkisch-europäische Verhältnis aus.

Was auch immer die unmittelbare Zukunft bringen mag, die anhaltenden Konflikte und die unsichere Lage in der Region werfen einen langen Schatten auf die Bestrebungen der Kurden nach autonomer Selbstbestimmung und werfen Fragen zu einem nachhaltigen Frieden auf.