Ekrem İmamoğlu, der Bürgermeister von Istanbul und potenzieller Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, sieht sich ernsthaften rechtlichen Schwierigkeiten gegenüber. Der Staatsanwaltschaft zufolge drohen ihm mehr als sieben Jahre Haft. Dies geht aus einer Anklageschrift hervor, die gegen den Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP) eingereicht wurde. Unter den Vorwürfen findet sich unter anderem die öffentliche Beleidigung eines Amtsträgers sowie Drohung, was im Zusammenhang mit seinen Aussagen über einen Generalstaatsanwalt steht, die İmamoğlu in einer Rede im Januar äußerte. Dabei beschuldigte er den Generalstaatsanwalt, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten. Diese Vorwürfe könnten möglicherweise auch ein Politikverbot für İmamoğlu zur Folge haben, da gegen ihn weitere Verfahren laufen, die ebenso drohen.
Die Anklageschrift selbst wurde bislang noch nicht angenommen, dennoch wird der Druck auf İmamoğlu immer größer. Politische Beobachter sehen in der Situation eine klare Schikane, die darauf abzielt, die oppositionelle Stimme in der Türkei zum Schweigen zu bringen. Laut Spiegel bezeichnete İmamoğlu die laufenden juristischen Auseinandersetzungen als Schikane seitens der Justiz und betonte, dass ihm keine rationale Basis zugrunde liege.
Die Politisierung der Justiz
Diese Ereignisse sind nicht isoliert, sondern machen deutlich, wie stark die Justiz in der Türkei politisiert ist. Der türkische Staat hat eine lange Geschichte der Instrumentalisierung der Justiz für politische Ziele, was die Unabhängigkeit der Richter und die Gewaltenteilung erheblich beeinträchtigt. Dies wurde besonders nach dem Putschversuch 2016 deutlich, als über 4.300 Richter entlassen und die Justiz unter Kontrolle des Staatspräsidenten umstrukturiert wurden. Zudem führte die Einführung des Präsidialsystems im Jahr 2017 dazu, dass der Präsident die Mehrheit der Mitglieder des Rats für Richter und Staatsanwälte ernennt, was die politische Kontrolle über die Justiz weiter verstärkt hat. bpb beleuchtet diese Problematik detailliert und zeigt auf, dass die grundsätzlichen strukturellen Probleme im türkischen Justizsystem weiterhin bestehen.
Die Repression gegen oppositionelle Stimmen hat in der Türkei in den letzten Jahren zugenommen. Der Fall von İmamoğlu wird häufig im Kontext anderer politisch motivierter Inhaftierungen erwähnt, die in der Vergangenheit stattfanden, etwa im Fall von Osman Kavala und Selahattin Demirtaş. Beide sitzen nach wie vor in Haft und sehen sich schwerwiegenden Anklagen gegenüber, die von vielen als politisch motiviert angesehen werden.
Die aktuellen Entwicklungen rund um İmamoğlu sind also nicht nur eine momentane Krise für den Bürgermeister, sondern sie spiegeln auch die größeren gesellschaftlichen und politischen Spannungen wider, die in der Türkei bestehen. Während İmamoğlu als einer der aussichtsreicheren Kandidaten bei den kommenden Wahlen gilt, bleibt abzuwarten, wie sich die politische Landschaft angesichts dieser Herausforderungen entwickeln wird.