Elisabeth Seitz, die deutsche Turn-Rekordmeisterin, erhebt gravierende Vorwürfe über Missstände am Stützpunkt in Mannheim. Bereits 2014 meldete sie diese Probleme dem Deutschen Turner-Bund (DTB). In jüngster Zeit hat Seitz erneut Gespräche mit dem DTB geführt und die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung der Vorwürfe gefordert. In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche öffentliche Stellungnahmen von ehemaligen Turnerinnen und einem Turner, die ähnliche Missstände in den deutschen Stützpunkten anprangerten.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen autoritäre Trainingsmethoden und systematischen körperlichen sowie mentalen Missbrauch. Seitz beschreibt einen traumatischen Vorfall, bei dem sie beim Training am Barren verletzt wurde, nachdem sie nicht mehr in der Lage war, die Übungen auszuführen. Sie musste zudem trotz Verletzung Krafttraining machen, während sie auf ihre Mutter wartete. Diese Erfahrungen haben sie dazu motiviert, sich für die Sicherheit und das Wohlbefinden der nächsten Generation von Turner:innen einzusetzen.

Kritik an Missständen im Leistungssport

Seitz betont die Dringlichkeit, sicherzustellen, dass „richtige und gute Leute“ im DTB verbleiben. Sie fordert den Abgang von Personen, die nicht für die Aufsicht und das Wohl der Sportler:innen geeignet sind. Der DTB hat reagiert und zur Klärung der Vorwürfe eine Kanzlei aus Frankfurt am Main hinzugezogen. Damit wird deutlich, dass der Druck zur Aufarbeitung wächst, insbesondere nach den erschreckenden Enthüllungen in dieser Sportart.

Die Problematik von Missbrauch und Gewalt im Leistungssport ist nicht neu. Laut einer Vielzahl von Studien ist interpersonale Gewalt im Leistungssport ein weit verbreitetes Phänomen, das den olympischen Traum vieler Athlet:innen überschattet. Eine Untersuchung zeigt, dass zwischen 60 und 72 % der Sportler:innen von psychischer Gewalt betroffen sind. Auch sexuelle und physische Gewalt sowie Vernachlässigung sind häufige Probleme, die in der vergangenen Zeit zunehmend in den Fokus geraten sind.

Der Druck im Spitzensport

Der Druck, im Sport erfolgreich zu sein, kombiniert mit der Kultur des Hochleistungsports, kann gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Athlet:innen haben. Die Wettkampfatmosphäre und die frühzeitige Spezialisierung im Sport fördern Risiken, die häufig zu Missbrauch führen. Zudem sind Sportler:innen, die sich als nicht-heterosexuell identifizieren oder bereits Opfer von Viktimisierung wurden, besonders gefährdet.

Mediale Enthüllungen und Initiativen wie Safe Clubs, SIMS und die IOC Safe Sport Unit arbeiten daran, evidenzbasierte Präventionsmaßnahmen im organisierten Sport zu implementieren. Der Bedarf an kulturellen Veränderungen im Sport bleibt jedoch dringend, um die Opfer von Gewalt und Missbrauch zu unterstützen. Ein ganzheitlicher Ansatz ist erforderlich, um interpersonale Gewalt zu bekämpfen und ein sicheres Umfeld für alle Sportler:innen zu schaffen.

Seitz‘ mutiger Schritt, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen, könnte ein entscheidender Beitrag dazu sein, das Bewusstsein für die Probleme im deutschen Turnen zu schärfen und Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für junge Athletinnen zu initiieren. Die Aufarbeitung der Vorwürfe ist nicht nur für die Betroffenen entscheidend, sondern tangiert auch die Integrität des Sports insgesamt.

Für weitere Details zu den Missständen und den Reaktionen darauf siehe Faz und Spiegel. Eine umfassende Analyse der Situation im Leistungssport bietet auch In-Mind.