In den letzten Wochen hat sich die Stimmung in Polen in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge dramatisch gewandelt. Laut Euractiv befürworten nur noch 53 Prozent der Polen die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, was den niedrigsten Anteil seit dem Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 darstellt. Diese Zahl ist ein drastischer Rückgang von 94 Prozent im Frühling 2022 und unterstreicht den wachsenden Unmut in der Bevölkerung.
Politische und gesellschaftliche Spannungen nehmen zu, was sich auch in den Äußerungen des polnischen Verteidigungsministers Władysław Kosiniak-Kamysz widerspiegelt. In einem Interview mit der „Financial Times“ äußerte er Bedenken über das Verhalten ukrainischer Bürger, insbesondere junger Männer, die in teuren Autos fahren und in Fünf-Sterne-Hotels wohnen. Diese Beobachtungen tragen zur „Müdigkeit“ in der polnischen Gesellschaft bei, wie Unser Mitteleuropa berichtet.
Der Rückgang der Unterstützung
Die beispiellose Unterstützung, die ukrainischen Flüchtlingen zuteilwurde, nimmt ab und wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Die „Getreidekrise“, die durch die Öffnung der „Solidaritätskorridore“ der EU bedingt ist, hat die polnische Gesellschaft zusätzlich belastet. Während 2022 mehr als 80 Prozent der Befragten die Aufnahme der Flüchtlinge befürworteten, sind es heute rund 40 Prozent, die sich aktiv dagegen aussprechen. Männer zeigen sich dabei mit 60 Prozent positiver gegenüber den Flüchtlingen als Frauen mit 47 Prozent.
Politische Ansichten spielen ebenfalls eine Rolle: Während 53 Prozent der rechten Wähler die Aufnahme unterstützen, sind es unter den linken Wählern 68 Prozent. Besonders auffällig ist, dass weniger als die Hälfte der Wähler der regierenden Partei PiS, nur 49 Prozent, die Aufnahme weiterer Kriegsflüchtlinge befürworten. Gleichzeitig unterstützen 67 Prozent der Befragten die Rückführung männlicher ukrainischer Bürger im wehrfähigen Alter in die Ukraine.
Integration und Herausforderungen
Polen hat sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine in kurzer Zeit zu einem Nettoeinwanderungsland entwickelt. Eine große Mehrheit der ausländischen Bevölkerung stammt mittlerweile aus der Ukraine. Vor dem Angriff lebten bereits 1,3 bis 1,5 Millionen Ukrainer in Polen, und seit Februar 2022 sind weitere 6,2 Millionen Menschen geflohen, von denen über 900.000 mittlerweile in Polen mit vorübergehendem Schutzstatus registriert sind, wie bpb.de feststellt.
Gleichzeitig zeigen sich erhebliche Herausforderungen bei der Integration. Viele ukrainische Flüchtlinge sind mit der Suche nach Wohnraum überfordert und haben oft keine langfristigen Integrationshilfen. Dieses Fehlen von Unterstützung hat dazu geführt, dass zahlreiche Flüchtlinge Polen wieder verlassen. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass nur 50 Prozent der ukrainischen Flüchtlingskinder polnische Schulen besuchen.
Die polnische Regierung steht nun vor der Herausforderung, den Rückgang der öffentlichen Unterstützung zu verstehen und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Integration zu ergreifen. Nur durch gezielte Initiativen kann sichergestellt werden, dass die sozialen Spannungen abgebaut und das Humankapital der Migranten sinnvoll genutzt wird.