Ein Sensationsfund auf einem Dachboden hat eine erschreckende Verbindung zur NS-Zeit aufgedeckt. Die Geschichte dreht sich um Johann Niemann, der 1931 im Alter von 18 Jahren in die NSDAP eintrat und bald darauf eine steile Karriere machte. Niemann, der als Malergeselle in Völlen lebte, erlebte die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, die seine Laufbahn stark förderte. Er wurde Teil von Hitlers persönlicher Leibwache und zog nach Berlin, wo er 1934 als Wachmann im Konzentrationslager Esterwegen tätig wurde.

Seine Rolle in der Schikane von Häftlingen machte ihn bei Hitler wohlgelitten. Doch es war seine Beteiligung an der geheimen Tötungsaktion T4 ab 1939, die ihn in die Geschichtsbücher eintragen sollte. Bei dieser grausamen Aktion, die über 10.000 Menschen das Leben costete, war Niemann als Heizer in Grafeneck tätig und somit verantwortlich für die Einäscherung der Leichen. Zwei Jahre nach dem Euthanasie-Programm, das die systematische Tötung von behinderten Menschen und anderen als „lebensunwert“ angesehenen Personen umfasste, ging er 1942 als stellvertretender Lagerkommandant ins Vernichtungslager Sobibor in Polen.

Die Tragödie von Sobibor

In Sobibor war Niemann mitverantwortlich für den Tod von rund 250.000 Juden. Trotz Fotografierverbots dokumentierte er seine Zeit dort mit etwa 300 Fotos. Diese Bilder zeigen eine verzerrte Idylle, die den Häftlingen vorgespielt wurde, und wurden erst 2020 veröffentlicht, als die Geschichte um ihn von lokalen Historikern ans Licht gebracht wurde. Bereits Anfang 1943 fand ein Aufstand von Häftlingen statt, bei dem Niemann am 14. Oktober 1943 mit einem Beil erschlagen wurde.

Nach seinem Tod wurden diese belastenden Fotoalben seiner Frau Henriette zugeschickt und landeten auf dem Dachboden. Ihre Entdeckung hat das öffentliche Interesse an Niemanns schrecklicher Vergangenheit geweckt. Die Fotos wurden im United States Holocaust Memorial Museum in Washington ausgestellt und zeigen die perfide Täuschung, der die Opfer ausgesetzt waren.

Das Euthanasie-Programm

Die Taten von Johann Niemann sind untrennbar mit dem Euthanasie-Programm verbunden, das 1939 ins Leben gerufen wurde und mit der systematischen Tötung von Menschen mit Behinderungen begann. Dieses Programm stellte eine Vorstufe zur späteren Völkermordpolitik der Nationalsozialisten dar. Es wurde von führenden Persönlichkeiten wie Philipp Bouhler und Karl Brandt organisiert und zielte darauf ab, Personen zu eliminieren, die als genetische und finanzielle Belastung für die Gesellschaft angesehen wurden.

Ab 18. August 1939 war es Ärzten und Pflegepersonal vorgeschrieben, Neugeborene und Kinder mit schweren Behinderungen zu melden. In der Folge wurden Tötungsanstalten, getarnt als Kliniken, eingerichtet, wo geschätzt mindestens 10.000 Kinder starben. Die Aktion T4 erweiterte das Programm auf erwachsene Patienten, unter denen Historikern zufolge insgesamt etwa 250.000 Menschen ermordet wurden.

Die brutalen Methoden, die anfangs in speziellen Gaskammern zur Anwendung kamen, wurden später in Kliniken und durch Überdosierungen von Medikamenten fortgesetzt. Die Entdeckung von Niemanns Bilddokumentation hat nicht nur das individuelle Schicksal, sondern auch die systematischen Gräueltaten der Nationalsozialisten wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.

Die öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Erinnerungen steht sinnbildlich für den langfristigen Kampf gegen das Vergessen und die Notwendigkeit, historische Verantwortung zu übernehmen. Der Name Johann Niemann wird am Völlener Kriegerehrenmal durch die errichtete Infotafel überdeckt, um zukünftige Generationen über die schrecklichen Taten zu informieren.