In Baden-Württemberg sind nahezu 90 minderjährige Islamisten unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes. Diese alarmierende Zahl hat sich seit dem Frühjahr 2024 stark erhöht, was auf einen signifikanten Anstieg extremistischer Aktivitäten in der Region hinweist. Benno Köpfer, der Leiter der Abteilung „Islamistischer Extremismus und Terrorismus“ beim Verfassungsschutz, äußerte sich hierzu auf einer Fachtagung in Berlin und betonte den damit verbundenen „erheblich gestiegenen Bearbeitungsaufwand“ in seiner Behörde. Besonders erschreckend ist, dass diese jungen Extremisten in sozialen Medien Anleitungen zum Bombenbau teilen und bei Durchsuchungen erschreckende Materialien wie Hinrichtungsvideos und Sammlungen von Kampfliedern gefunden wurden. Der Nahost-Konflikt, insbesondere nach dem 7. Oktober 2023, und das Aufkommen ideologischer Inhalte in sozialen Medien gelten als zentrale Faktoren für die Radikalisierung.

Jugendliche nutzen diese Plattformen aktiv, um ein verzerrtes Bild des Islams zu konstruieren, das als „Lego-Islam“ beschrieben wird. Es gibt zunehmende Belege dafür, dass auch rechtsextreme Ideologien in diesen radikalen Kreisen aufeinandertreffen. Ein Beispiel ist ein Jugendlicher, der nach Kontakt mit einem IS-Mitglied seine Bewunderung für Hitler offenbarte. Die Verquickung von Kampfsport und Radikalisierung stellt eine weitere besorgniserregende Entwicklung dar. Diese Verhaltensweisen erschweren es den Behörden, zwischen „Maulhelden und Mitläufern“ und echten Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu unterscheiden.

Radikalisierungsprozess und Ideologie

Das islamistische Spektrum in Deutschland ist äußerst heterogen und umfasst sowohl streng hierarchische Organisationen als auch lose Netzwerke. Zu den politisch-islamistischen Akteuren zählen unter anderem die „Muslimbruderschaft“ und die „Milli-Görüs“-Bewegung, die versuchen, ihre Ziele innerhalb des Rahmens der bestehenden Gesetze zu verfolgen. Viele dieser Ideologien weisen Einflüsse des konservativen Wahhabismus aus Saudi-Arabien auf. Der Verfassungsschutz dokumentiert dabei, dass salafistische Strömungen intensives Missionieren betreiben und sich an den Normen und Werten der islamischen Frühzeit orientieren. Hierbei bewegen sich verschiedene Akteure in einem transnationalen Netzwerk, in dem militante und gewaltbereite Gruppierungen existieren. Die Übergänge zwischen diesen Strömungen sind fließend und erschweren die Gefahreneinschätzung.

Forschungsbefunde zur Radikalisierung junger Menschen zeigen, dass es zahlreiche biografische Faktoren gibt, die zu einer Neigung hin zu extremistischen Ideologien führen können. Der Einfluss von sozialen Medien und der Zugang zu extremistischer Werbung verstärken diese Tendenzen zusätzlich. Die Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft und die Sicherheitsbehörden stehen, sind somit vielschichtig und erfordern einen integrierten Ansatz zur Prävention und Intervention.

Überwachungsgebiete und Handlungsempfehlungen

Die Schwerpunkte der Überwachung durch den Verfassungsschutz liegen im Großraum Stuttgart sowie im Westen Baden-Württembergs, insbesondere an der Grenze zu Frankreich. In vielen Fällen haben bereits Durchsuchungen stattgefunden, um potenziellen Bedrohungen aktiv zu begegnen. Die zunehmend radikalisierte Jugend stellt eine anhaltende Herausforderung dar, die ein schnelles Handeln und effektive präventive Maßnahmen erfordert. Lehrer, Sozialarbeiter und andere Akteure im Jugendbereich stehen ebenfalls in der Verantwortung, den Radikalisierungsprozess frühzeitig zu erkennen und entschlossen entgegenzuwirken. Um dem Problem nachhaltig zu begegnen, sind koordinierte Anstrengungen auf allen Ebenen notwendig.

Die aktuelle Situation in Baden-Württemberg stellt einen dringenden Aufruf an die Gesellschaft dar, sich aktiv mit den zugrunde liegenden Ursachen der Radikalisierung auseinanderzusetzen und Präventionsstrategien zu entwickeln. Wie aus verschiedenen Berichten hervorgeht, ist die Problematik des islamistischen Extremismus ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das sowohl das individuelle als auch das kollektive Bewusstsein betrifft. Mehr Informationen dazu bietet verfassungsschutz-bw sowie die bpb.