Deutschland gilt als Vorreiter im Bereich des Textil-Recyclings, doch der Markt erlebt derzeit einen deutlichen Abschwung. So zieht sich eine Reihe von sozialen Organisationen und professionellen Verwertern aus dem Altkleider-Geschäft zurück. In Städten wie Jena sind die kommunalen Sammelcontainer für Altkleider fast ständig überfüllt, was bedeutet, dass sie mehrmals wöchentlich geleert werden müssen. Seit dem 1. Januar gilt in der EU die neue „Getrenntsammelpflicht von Textilien“, die Landwirte und Unternehmen zur sozialen Verantwortung anregen soll. Allerdings verbreiten sich Falschmeldungen, die besagen, dass keine Textilien mehr in den Haushaltsmüll dürfen; tatsächlich dürfen verschmutzte Textilien weiterhin in die graue Tonne.
Uwe Feige, Werksleiter des Kommunalservice Jena, beobachtet den Altkleider-Markt schon seit Jahrzehnten. Die Gründe für die derzeitige Situation sind vielfältig. Die Kommune übernahm 2012 die Container in Eigenregie aufgrund illegaler Container, doch nun sieht sie sich wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenüber. Ausschreibungen zeigen, dass in vielen Fällen Nullbeträge oder Zuzahlungen von bis zu 150 Euro pro Tonne angeboten werden. Karitative Organisationen wie das Rote Kreuz und die Caritas geben bereits bekannt, dass sie ihre Container abbauen müssen.
Herausforderungen und Risiken im Recycling
Die Branche steht vor gravierenden Herausforderungen. Thomas Ahlmann von Fairwertung sieht einen möglichen Kollaps des Systems, da die Mengen minderwertiger Textilien weiter steigen. Besorgniserregend ist auch die Insolvenz des größten deutschen Altkleider-Sortierbetriebs, Soex. Auch Texaid kämpft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und erwartet, dass die vermehrte Verschleißrate der Textilien negative Auswirkungen mit sich bringt.
Aktuell werden in Deutschland 60% der gesammelten Altkleider wiederverwendet. Der Rest wird größtenteils zu Putzlappen oder Malervlies verarbeitet, was den Anforderungen an eine echte Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt. Der Weg zu einem funktionierenden Textilrecycling ist aufwändig und kostenintensiv. Pilotprojekte, wie das an der Hochschule Niederrhein, arbeiten an Faser-zu-Faser-Recycling-Technologien, die das Recycling effizienter gestalten sollen.
Der Weg zur Kreislaufwirtschaft
Wie sustainfashion.info berichtet, wird gegenwärtig lediglich 1 % des Textilabfalls recycelt. Dennoch zeigt ein Bericht von McKinsey & Company, dass bis zu 70 % der Textilabfälle recycelt werden könnten. Die Branche zeichnet sich durch rasante Innovationen aus, insbesondere im Bereich des chemischen Recyclings von Polyester, das kurz vor der Kommerzialisierung steht. Um diese Potenziale zu nutzen, sind jedoch substantielle Verbesserungen in der Verarbeitung von Fasermischungen und der Kostenreduktion notwendig.
Die Textilindustrie ist ein essenzieller Teil der europäischen Wirtschaft. In der EU sind 1,3 Millionen Menschen in dieser Branche beschäftigt, und der Umsatz beträgt stolze 167 Milliarden Euro. Dennoch landen fast 87 % der Altkleider entweder auf Deponien oder werden verbrannt. Eine nachhaltige Lösung ist in Sicht: Strategien der EU setzen Prioritäten wie Ökodesign und Abfallvermeidung. Innovative Geschäftsmodelle wie der Verleih von Kleidung und Recycling-Design könnten neue Wege eröffnen.
Das Netzwerk cordis.eu fördert die Entwicklung neuer Technologien zur Verbesserung des Textilrecyclings. Projekte wie „New Cotton“ demonstrieren chemisches Recycling zur Umwandlung von alten Textilien in neue Fasern. Weitere Initiativen zielen darauf ab, den Ressourcenverbrauch zu optimieren und den Einsatz recycelter Materialien zu steigern.
Die Herausforderungen sind gewaltig, doch die sich abzeichnenden Entwicklungen in der Textilbranche bieten Anlass zur Hoffnung. Wenn innovative Ansätze und Kooperationen erfolgreich umgesetzt werden, könnte der Traum einer echten Kreislaufwirtschaft im Textilrecycling Wirklichkeit werden.