Zum Jahresende 2023 waren in Deutschland mehr als 5000 Hausarztstellen unbesetzt, was laut einer Anfrage des BSW beim Bundesgesundheitsministerium berichtet wird. Dies stellt eine alarmierende Entwicklung dar, da die Zahl an unbesetzten Stellen in den letzten fünf Jahren um 75 Prozent gestiegen ist. Besonders dramatisch ist die Situation in ländlichen Gebieten und für ältere Menschen, die oft längere Wartezeiten oder weitere Wege zu den nächsten Arztpraxen in Kauf nehmen müssen. Sahra Wagenknecht, die Chefin des BSW, bezeichnet die Lage als „katastrophal“ und fordert Maßnahmen zur Verbesserung der grundversorgenden Medizin in Deutschland, die das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt aufweist.

Zusätzlich zur Problematik bei Hausärzten gibt es auch einen bedenklichen Mangel an Kinder- und Jugendärzten. Diese Gruppe verzeichnet fast 60 Prozent mehr unbesetzte Stellen als vor drei Jahren. Ende 2023 waren bundesweit nur 216 Praxen für Kinder- und Jugendärzte verfügbar, was die bereits schwierige Situation der familiären Gesundheitsversorgung weiter verschärft. Betroffene Eltern stehen vor der Herausforderung, lange auf einen Termin zu warten oder erhebliche Entfernungen zu zurückzulegen.

Die Folgen des Hausarztmangels

Die Problematik des Hausarztmangels hat weitreichende Konsequenzen für die Patientenversorgung in Deutschland. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, kritisiert die Regelung der freien Arztwahl und plädiert für eine verpflichtende Einschreibung der Patienten bei einer Hausarztpraxis, die dann die Koordinierung der Weiterbehandlung übernimmt. Sein Vorschlag sieht vor, dass Patienten, die einen freier Arztwahl wünschen, ggf. mit höheren Krankenkassenbeiträgen oder einer Praxisgebühr rechnen müssen.

Die Situation könnte sich in Zukunft weiter verschärfen, da jeder vierte praktizierende Arzt über 60 Jahre alt ist. Reinhardt warnt vor einem massiven Ärztemangel, wenn nicht schnellstens Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt auch, Regelungen zu schaffen, die es Ärzten im Ruhestandsalter ermöglichen, aktiv zu bleiben und gleichzeitig Anreize für eine Weiterbeschäftigung im Gesundheitssektor zu schaffen.

Langfristige Prognosen und Lösungen

Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass bis zum Jahr 2035 in Deutschland rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein könnten. Laut einer Studie der Robert Bosch Stiftung werden fast 40 Prozent der Landkreise unterversorgt oder zumindest von Unterversorgung bedroht sein. Besonders betroffen sind Regionen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Baden-Württemberg, wo in einigen Landkreisen die Zahl der Hausärzte um bis zu 50 Prozent sinken könnte.

Die Ursachen für den Hausarztmangel sind vielfältig. Die Altersstruktur der praktizierenden Ärzte spielt dabei eine entscheidende Rolle, da bis 2035 nahezu 30.000 Hausärzte altersbedingt ausscheiden werden, während die Zahl der nachrückenden Mediziner nicht ausreicht. Viele Nachwuchsärzte entscheiden sich gegen die Niederlassung als Hausarzt und bevorzugen stattdessen Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle.

Um den Herausforderungen des demografischen Wandels und dem sich verändernden medizinischen Bedarf gerecht zu werden, wird eine grundlegende Reform der Primärversorgung angestrebt. Experten empfehlen den Aufbau regionaler Gesundheitszentren, die mit multiprofessionellen Teams bedarfsorientierte Behandlungen anbieten sollen. Solche Zentren könnten helfen, die Kosten im Gesundheitswesen zu kontrollieren und die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern.

Die erforderlichen Maßnahmen für eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung sind dringend notwendig, um einem weiteren Abbau der medizinischen Infrastruktur entgegenzuwirken und die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern. Die Schaffung von mehr Medizinstudienplätzen, eine verpflichtende Niederlassung als Hausarzt sowie ein besseres Vergütungssystem sind einige der Vorschläge, die von Politikern und Fachleuten diskutiert werden.

Für nähere Informationen zu den aktuellen Entwicklungen kann man die Berichte bei Remszeitung, n-tv und Robert Bosch Stiftung nachlesen.