Die Unternehmensnachfolge in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, die nicht nur einzelne Betriebe, sondern den gesamten Wirtschaftsstandort betreffen. Zehntausende Unternehmen drohen aufgrund fehlender Nachfolger zu schließen. Diese alarmierenden Trends werden von verschiedenen Stellen, einschließlich der Industrie- und Handelskammern (IHK), bestätigt. Im gesamten Bundesgebiet rechnen Experten damit, dass über 250.000 Unternehmen vor einer vorzeitigen Schließung stehen, sofern keine rechtzeitige Übergabe erfolgt. Diese Situation wird durch eine ungünstige demografische Entwicklung noch verschärft, denn die Altersgruppe der 18- bis 40-Jährigen ist schwächer besetzt.

Ein greifbares Beispiel sind die Petzold-Brüder, die seit 1988 Produkte für Fahrzeugpflege und Lacke entwickeln. Trotz langjähriger Bemühungen haben sie bislang keinen Nachfolger gefunden, während ihr Umsatz in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen ist. „Wir haben unser Geschäft mit Herzblut aufgebaut“, betont Christian Petzold. Laut DIHK-Experte Marc Evers ist die Zahl der Unternehmer, die Nachfolgelösungen suchen, dreimal so hoch wie die der Interessenten. Es ist nicht nur eine Frage der Verfügbarkeit von Nachfolgern, sondern auch der emotionalen Bindung vieler Inhaber an ihr Lebenswerk – 29 Prozent der Unternehmen haben Schwierigkeiten, loszulassen.

Markt für Unternehmensnachfolge in der Krise

Die negative Entwicklung ist auch in den Beratungszahlen der IHK sichtbar. Im Jahr 2023 wurden 8.276 Nachfolgeberatungen durchgeführt, jedoch interessierten sich nur 2.760 Personen für eine Unternehmensübernahme. Dies zeigt deutlich, dass die Angebotsseite die Nachfrage um das Dreifache übersteigt. Vor allem im Gastgewerbe ist die Diskrepanz wesentlich ausgeprägter: Hier übersteigt das Angebot die Nachfrage um mehr als das Fünffache. Diese Konstellation führt dazu, dass 28 Prozent der befragten Alt-Inhaber ernsthaft eine Schließung ihres Betriebs erwägen.

Die Rückgänge bei den Anfragen von potenziellen Nachfolgern seit der Corona-Pandemie sind stark. In 2022 gab es nur 2.017 Anfragen im Vergleich zu 4.302 im Jahr 2019, das ist ein historisches Tief seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2007. DIHK-Präsident Peter Adrian äußert sich besorgt über die Entwicklung: „Ohne eine Besserung der Rahmenbedingungen droht uns ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft.“ Die politische Komplexität, steigende Energiekosten und der Mangel an Fachkräften sind nur einige der Faktoren, die zu diesem Umstand beitragen.

Vorbereitungszeit nicht eingehalten

Eine grundlegende Empfehlung der IHKs lautet, sich mindestens drei bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe mit der Zukunft des Unternehmens zu beschäftigen. Dennoch haben 41 Prozent der Alt-Inhaber angegeben, sich nicht rechtzeitig auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet zu haben. Zudem warten viele Unternehmer zu lange mit der Übertragung, um möglicherweise einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Diese zögerliche Haltung könnte fatale Folgen für die jeweilige Branche haben, da weniger Unternehmen letztendlich auch zu weniger Wettbewerb führen.

Laut einer Umfrage unter den IHKs sehen 96 Prozent den Mangel an Nachfolgern als größte Herausforderung für die Fortführung von Betrieben. Die Politik ist gefragt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu optimieren und Unternehmen zu entlasten, damit auch zukünftige Generationen auf eine gesunde Wirtschaft bauen können.

Insgesamt ist die Situation zur Sicherstellung einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge sehr angespannt, und es bleibt abzuwarten, welchen Kurs die Verantwortlichen in den kommenden Jahren einschlagen werden. Die Notwendigkeit zur Innovation und Agilität in der deutschen Wirtschaft könnte darüber entscheiden, ob Unternehmen wie das von den Petzold-Brüdern weiterleben oder ob sie in die Geschichte eingehen als Beispiele für eine verpasste Chance.

Für weitere Informationen und detaillierte Analysen lesen Sie bitte: Tagesschau, DIHK und DUB.