In Deutschland nimmt der politische Streit um das Thema Schwangerschaftsabbrüche weiter zu. Abtreibungsgegner versuchen, erheblichen Einfluss auf Bundestagsabgeordnete zu nehmen, ohne sich im Lobbyregister einzutragen. Insbesondere der Verein „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA e.V.) aus Bayern steht dabei im Fokus. Laut Tagesschau hat ALfA Postkarten, Briefe und seine Vereinszeitschrift „Lebensforum“ an zahlreiche Abgeordnete verschickt, um für den Erhalt der Regelung von Paragraf 218 StGB zu werben, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt.
ALfA mit seinen 11.000 Mitgliedern gehört zur „Lebensschützer-Bewegung“ und hat in letzter Zeit verstärkt zur Unterstützung seiner Ziele mobilisiert. Die Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski rief die Mitglieder dazu auf, Abgeordnete der FDP anzuschreiben und gegen die rot-grüne Politik zu protestieren. Diese Politik steht im Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative, die von der SPD und den Grünen im November 2024 zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche eingebracht wurde.
Lobbyregister und gesetzliche Rahmenbedingungen
Das Lobbygesetz von 2021 schreibt vor, dass sich Interessenvertreter, die regelmäßig Einfluss auf Abgeordnete nehmen, registrieren müssen. Verstöße gegen dieses Gesetz können mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Aurel Eschmann von LobbyControl sieht ALfA demnach als registrierungspflichtig an. Die Bundestagsverwaltung prüft derzeit, ob ALfA und andere Organisationen sich an die Regelungen halten.
Bisher wurden bis Ende 2024 20 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Lobbyregister eingeleitet. Dabei wurden drei Bußgeldbescheide erlassen und vier Verfahren eingestellt, während der Rest noch in Anhörung oder Ermittlungen ist. Über 6.000 Überprüfungen von Lobbyverbänden und Interessenvertretern sind durchgeführt worden.
Neuer Gesetzentwurf zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen
Der gesellschaftliche Druck wird nicht nur durch die Aktionen von ALfA spürbar, sondern auch durch die neue Gesetzesinitiative, die am 5. Dezember 2024 in ersten Lesungen im Bundestag beraten wurde. Der Gesetzentwurf, der von 328 Abgeordneten unterstützt wird, fordert, dass ein Abbruch der Schwangerschaft bis zur zwölften Woche nicht mehr rechtswidrig sein soll. Der Rechtsausschuss übernimmt dabei die Federführung für die Weiterberatung des Antrags.
Die Positionen zu dem Entwurf sind gespalten: Während Elisabeth Winkelmeier-Becker von der CDU/CSU die bestehenden Regelungen verteidigt und den Gesetzentwurf als einen ungehobenen „Paradigmenwechsel“ ohne gesellschaftliche Debatte kritisiert, dringt Ulle Schauws von den Grünen auf eine Liberalisierung des Paragrafen 218, den sie als „zutiefst patriarchal“ bezeichnet.
Die Debatte um Selbstbestimmung und Versorgung
Die SPD-Politikerin Carmen Wegge hebt hervor, dass die aktuellen Regelungen nicht nur zu Stigmatisierung führen, sondern auch die Versorgungslage der betroffenen Frauen negativ beeinflussen. Umfragen zeigen, dass fast 60% der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wünschen, Schwierigkeiten haben, diesen zu organisieren. Auf der anderen Seite sieht Beatrix von Storch von der AfD den Gesetzentwurf als einen Versuch, den Schutz des Lebens abzuschaffen, und verweist auf den bestehenden gesellschaftlichen Kompromiss.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Schwangerschaftsabbrüche nach der zwölften Woche grundsätzlich rechtswidrig bleiben, jedoch bei medizinischer Indikation bis zur Geburt rechtmäßig sein sollen. Zudem wird gefordert, dass Schwangerschaftsabbrüche von Krankenkassen kosten-deckend finanziert werden und Teil des Leistungskatalogs werden. Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln und Notfallkontrazeptiva wird thematisiert.
Die Debatte um die Rechte und den Schutz von Frauen in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland wird mit Spannung verfolgt. Die Auseinandersetzungen zwischen Abtreibungsgegnern und Befürwortern einer liberaleren Regelung verdeutlichen die emotionalen und politischen Dimensionen, die dieses sensible Thema umfasst. Ein klarer gesellschaftlicher Konsens scheint nach wie vor unerreichbar.