Friedrich Merz, der wahrscheinliche neue Kanzler Deutschlands, hat nur zehn Tage nach der Wahl sein zentrales Wahlversprechen gebrochen. In einer Abmachung zwischen CDU/CSU und SPD wurde eine Neuverschuldung von knapp einer Billion Euro beschlossen. Dies bedeutet, dass Merz, der zuvor eine Zustimmung zur Aufweichung der Schuldenbremse ausgeschlossen hatte, nun unvermittelt in eine andere Richtung lenkt. Über die erwartete Änderung wird im bereits abgewählten Bundestag abgestimmt, wobei Union, SPD und die Grünen die notwendigen Stimmen haben.
Von der neuen Verschuldung fließen 500 Milliarden Euro in ein „Sondervermögen“ für die Infrastruktur, während 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr vorgesehen sind. Diese Wehrausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen durch die Aufhebung der Schuldenbremse finanziert werden. In Anbetracht der veränderten Sicherheitslage erklärte Merz auch, dass ein Teil der Mittel möglicherweise in den Ukraine-Krieg fließen könnte mit dem Motto „Whatever it takes“.
Politische Reaktionen auf die Neuverschuldung
Die politischen Reaktionen auf diesen Plan sind gemischt. Die Grünen haben ihre Unterstützung signalisiert, äußern jedoch Bedenken und möchten Vorschläge prüfend betrachten. Die Linke hingegen lehnt die Aufweichung der Schuldenbremse ab, fordert jedoch eine grundlegende Reform für langfristige Lösungen. Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD bezeichnete die Einigung als bedeutenden Schritt zur Verbesserung der nationalen Sicherheit.
Währenddessen zeigt sich die FDP skeptisch gegenüber der Neuverschuldung. Bettina Stark-Watzinger kritisierte das Sondervermögen als „irre“. Hubert Aiwanger von den Freien Wählern warf der Union Wählertäuschung vor, und Alice Weidel von der AfD sprach von Wahlbetrug und kritisierte die Entscheidung zur Neuverschuldung scharf.
Hintergrund der Schuldenbremse
Der Kontext dieser Entwicklungen ist stark mit der 2009 eingeführten Schuldenbremse verbunden, die unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel in die Verfassung aufgenommen wurde. Ihr Ziel ist es, die Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen und Neuverschuldung für Länder zu verbieten. Die Schuldenbremse sollte langfristige finanzielle Stabilität gewährleisten und künftige Generationen von Schuldenlasten schützen. Jedoch wurde die Umwidmung von 60 Milliarden Euro aus Corona-Krediten am 15. November 2023 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, was den finanziellen Spielraum der Regierung erheblich einschränkte.
Diese Entscheidung hat zu schwierigen Verpflichtungen hinsichtlich Ausgabenkürzungen und Prioritätensetzungen geführt und die Diskussion um die Schuldenbremse neu entfacht. Auch der Zusammenbruch der Ampelkoalition im November 2024, infolge von Differenzen über die Schuldenbremse, hat den Reformdruck erhöht, wie auch ex-Kanzlerin Angela Merkel, die sich für Anpassungen ausgesprochen hat.
Ökonomische Herausforderungen und mögliche Reformen
Deutschland sieht sich großen wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber. Eine Forsa-Umfrage aus Januar 2025 zeigt, dass 55 % der Deutschen eine Reform oder sogar die Abschaffung der Schuldenbremse befürworten. Die wirtschaftliche Stagnation, bei der das BIP 2023 um 0,3 % schrumpfte und 2024 stagnierte, sowie Investitionsrückstände in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung über 400 Milliarden Euro drücken auf die politische Agenda.
Es gibt Vorschläge für mögliche Reformen der Schuldenbremse, darunter die Einführung einer Goldenen Regel, die Ausnahmen für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz zulässt, sowie eine Flexibilisierung der Verschuldungsgrenze in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage. Auch die Möglichkeit eines Schattenhaushalts, um Projekte über staatliche Fonds zu finanzieren, wird diskutiert.
Die kommenden politischen Entscheidungen werden somit entscheidend für die Zukunft der deutschen Fiskalpolitik und der Schuldenbremse sein. Die neue Regierung, die sich aus der aktuellen Situation heraus bilden wird, steht vor der Herausforderung, die drängenden finanziellen Bedürfnisse des Landes mit der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen in Einklang zu bringen.