Worms

"Mythos neu interpretiert: Falsche Götter bei den Nibelungenfestspielen 2024"

Die Uraufführung des konzertanten Melodrams „Falsche Götter“ von Albert Ostermaier fand am 14. Oktober 2024 im Wormser Theater statt und beleuchtet mit eindrucksvoller Musik und herausragenden Darstellerinnen die bedeutende Rolle der Nornen im Mythos, wodurch sie eine neue Perspektive auf Geschichte und Geschichten eröffnet.

Die Uraufführung des konzeptuellen Melodrams „Falsche Götter“ von Albert Ostermaier im Rahmen der Nibelungenfestspiele 2024 in Worms bringt alte Mythen in den Fokus und beleuchtet die Verstrickungen in menschliche Schicksale. Ostermaier gelingt es, die drei Nornen, die Schicksalsgöttinnen aus der nordischen Mythologie, neu zu interpretieren und ihnen eine moderne Stimme zu verleihen.

Kreativität und Mythos

Im Mittelpunkt des Werkes steht die Frage, wie unsere Geschichten und historischen Erzählungen geformt werden. Vergleichbare Elemente finden sich in Wagners Oper „Götterdämmerung“, wo die Nornen eine zentrale Rolle als weisende Figuren einnehmen. Ostermaier greift in seiner lyrischen Gestaltung diese Rolle auf und erweitert sie um facettenreiche menschliche Beziehungen in einer möglichen Ménage-à-trois zwischen Siegfried, Hagen und Gunther.

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Ein Abend der Interpretation

Die Darstellenden des Stücks, Sophie von Kessel, Wiebke Puls und Dennenesch Zoudé, setzen Ostermaiers Texte eindringlich um. Ihre unterschiedliche Interpretation bringt eine abwechslungsreiche Dynamik auf die Bühne. Während von Kessel mit einer fragilen Bühnenpräsenz überzeugt, bringt Puls eine zeitgenössische Verve mit, die für modernes Theater steht. Zoudé schließlich zeigt ihre Wandlungsfähigkeit und steigert sich zur kraftvollen Akrobatin an den Texten.

Musikalische Brücken

Die musikalische Untermalung durch das Modern String Quartet und das Voyager Quartet verleiht dem Abend zusätzliches Gewicht. Die Komponisten selbst sind Teil des Ensembles, was die Aufführung authentischer macht. Die Musik ist bemerkenswert zugänglich und zitiert sowohl Wagner als auch emotionale Filmmusik. Dies schafft eine interessante Verbindung zwischen klassischen und modernen Elementen und ergänzt die erzählte Geschichte.

Visuelle Eindrücke und symbolische Gesten

Die Bühne, gestaltet von Ric Schachtebeck, vermittelt eine düstere Atmosphäre, die die Themen von Schuld und Schicksal verstärkt. Mit einfachen, aber eindrucksvollen Requisiten, wie z. B. Müllsäcken und einem neu gepflanzten Baum, wird die alte Vorstellung von Schicksalsweberei lebendig. Kerzen, die am Ende entzündet werden, symbolisieren Hoffnung und Neuanfang in einer von Krisen geschüttelten Welt.

Gesellschaftlicher Kontext und Zukunftsperspektiven

Diese Uraufführung wirft auch Fragen auf über die Relevanz von Mythen und Erzählungen in unserer modernen Gesellschaft. Ostermaiers Versuch, die historische Perspektive von „History“ in „Herstory“ umzuwandeln, soll die Geschlechterrollen und ihre Erzählungen kritisch hinterfragen. In einer Welt, die von zunehmendem Individualismus geprägt ist, könnte dieser Ansatz helfen, ein neues Bewusstsein für kollektive Erfahrungen und Gedächtnisse zu schaffen.

Trotz der hochwertigen Inszenierung und Darsteller sind die Zuschauerzahlen an diesem Premierenabend leider spärlich ausgefallen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rezeption von „Falsche Götter“ entwickeln wird und ob es gelingt, ein breiteres Publikum zu erreichen, das für diese komplexen Fragestellungen der Mythologie und Geschichte sensibilisiert werden kann.

Lebt in Amberg und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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