Politik

Streit um Tarifverträge: Sozialpartnerschaft in der Krise

Die schrumpfende Bedeutung des Tarifvertragsgesetzes - eine kritische Analyse

Das Tarifvertragsgesetz feiert seinen 75. Geburtstag, während Politiker und Sozialpartner die Sozialpartnerschaft als Grundpfeiler des deutschen Systems hervorheben. Das Gesetz wurde 1949 verabschiedet und legte die Grundlage für die Tarifautonomie in Deutschland fest. Gewerkschaften und Arbeitgeber schließen auf dieser Grundlage jährlich rund 6000 Tarifverträge.

Trotz seiner herausragenden Bedeutung schrumpft die Relevanz des Tarifvertragsgesetzes. Nur noch knapp die Hälfte der Beschäftigten fallen unter den Schutz eines Tarifvertrags. Das deutsche Tarifsystem, einst hochgelobt, befindet sich in einer anhaltenden Krise, wie von der Böckler-Stiftung des DGB festgestellt.

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In den 1950er Jahren konnten die Gewerkschaften im Zuge des Wirtschaftswunders Einkommenserhöhungen sowie die Fünf-Tage-Woche durchsetzen. In den folgenden Jahrzehnten erweiterte sich die Tarifpolitik um Themen wie Arbeitsschutz und die Humanisierung der Arbeit. Allerdings setzte in den 1990er Jahren eine Erosion des Tarifvertragssystems ein.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 sowie weitere Maßnahmen zur Stärkung des Tarifsystems durch die EU und die deutsche Politik waren Reaktionen auf die Schwäche des Tarifsystems. Obwohl in den letzten Jahren Einkommenserhöhungen durchgesetzt wurden und die Gewerkschaftsmitgliederzahlen stabil sind, bleibt die Tarifbindung schwach. Die Diskussion über die Stärkung des Tarifvertragssystems und die Koppelung öffentlicher Aufträge an Tarifstandards bleibt daher aktuell.

Lebt in Stuttgart und ist seit vielen Jahren freier Redakteur für Tageszeitungen und Magazine im DACH-Raum.
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