Ein bahnbrechender Fall aus der Medizin zeigt, wie eine Behandlung von spinaler Muskelatrophie (SMA) im Mutterleib das Leben eines neugeborenen Kindes retten kann. Laut Focus wurde ein Baby als erstes weltweit mit dem Medikament Risdiplam behandelt, während es sich noch im Mutterleib befand. Dies geschah in der 32. Schwangerschaftswoche, und die Behandlung war ein durchschlagender Erfolg: Zwei Jahre nach der Geburt zeigt das Kind keine Symptome der Krankheit und hat eine normale Muskelentwicklung.
Spinale Muskelatrophie betrifft etwa eines von 10.000 Neugeborenen und ist eine häufige genetische Todesursache bei Säuglingen. Die Erkrankung wird durch einen Gendefekt im SMN1-Gen verursacht, das für die Produktion eines lebenswichtigen Proteins verantwortlich ist. In schweren Fällen fehlen beide Kopien des SMN1-Gens, was zu einem Absterben der Motoneuronen führt, und die betroffenen Babys sterben oft vor ihrem dritten Geburtstag, weil die Zeit für eine wirksame Therapie begrenzt ist.
Erfolgreiche Therapie und Überwachung
Die Mutter des behandelten Kindes nahm das Medikament täglich für sechs Wochen, beginnend in der 32. Schwangerschaftswoche. Eine Woche nach der Geburt setzte das Baby die medikamentöse Therapie fort, mit dem Ziel, die Produktion des fehlenden Proteins zu fördern und die Nervenzellen zu schützen. Labortests bestätigten, dass die Behandlung erfolgreich war, da das behandelte Kind höhere Proteinwerte im Blut und weniger Nervenschäden im Vergleich zu anderen SMA-Babys aufwies.
Neurologin Michelle Farrar erklärte, dass das Baby effektiv behandelt wurde, ohne Manifestationen der Erkrankung zu zeigen. Neurowissenschaftler Richard Finkel empfiehlt jedoch eine lebenslange Überwachung des Kindes, um sicherzustellen, dass die positive Entwicklung auch langfristig anhält. Die Initiative zur frühen Behandlung kam von den Eltern, die bereits ein Kind an SMA verloren hatten, was den emotionalen Hintergrund dieser mutigen Entscheidung verdeutlicht.
Registerstudien und Weiterentwicklungen
Zusätzlich zur Behandlung in diesem Einzelfall gibt es bedeutende Fortschritte in der Forschung und Anwendung von Risdiplam. Ab dem 30. Oktober 2024 werden Behandlungen mit diesem Wirkstoff in einer Registerstudie beim Studienregister SMArtCARE erfasst. Wie auf g-ba.de berichtet wird, darf Risdiplam nur von Ärzten eingesetzt werden, die ihre Behandlungsdaten im SMArtCARE-Register dokumentieren. Die Registrierung erfasst motorische Meilensteine ab Behandlungsbeginn.
Risdiplam wurde 2021 zugelassen und soll die Produktivität des teildefekten SMN2-Gens erhöhen, um die Erkrankung zu stoppen. In der aktuellen Evidenzlage wird eine erneute Nutzenbewertung von Risdiplam angestrebt, um zu klären, ob der Wirkstoff einen patientenrelevanten Zusatznutzen gegenüber anderen Therapien aufweist.
Gentherapie als weitere Option
Eine andere Option zur Behandlung von SMA ist die Gentherapie mit Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma), die seit 2020 in der EU zugelassen ist. Diese Therapie hat in klinischen Studien der Charité – Universitätsmedizin Berlin gezeigt, dass sie die Funktion des fehlenden SMN-Proteins wiederherstellen kann. Die Studie umfasste 76 Kinder und belegte signifikante Verbesserungen der Muskelkraft, besonders bei Kindern unter 24 Monaten.
Die Forschungen zeigen, dass sowohl frühe medikamentöse Interventionen wie die Behandlung im Mutterleib als auch fortgeschrittene Gentherapien das Potenzial haben, das Leben von Kindern, die an SMA leiden, erheblich zu verbessern. Die Hoffnung ist, dass solche Fortschritte in der Medizin in Zukunft vielen betroffenen Familien helfen können.