In einer aktuellen Studie der Freien Universität Berlin wird die Stimmung in Deutschland im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 analysiert. Die Untersuchung mit dem Titel „Polarisierung trotz Stabilität. Wähler:innen in Deutschland und ihr Blick auf Demokratie, Medien, Themen und Parteien im Lichte der CNEP-Studien 2017, 2021, 2024“ befasst sich mit signifikanten Veränderungen in der Wahrnehmung der politischen Landschaft. Besonders auffällig sind die Verschiebungen im medialen Kontext und die stark negative Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, während die individuelle wirtschaftliche Situation eher stabil und positiv wahrgenommen wird. Diese Ergebnisse basieren auf Umfragen zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 sowie der Europawahl 2024, die im Rahmen des internationalen Comparative National Elections Project (CNEP) durchgeführt wurden. Prof. Dr. Thorsten Faas, der die Studie leitet, hebt hervor, dass die Veränderungen im medialen Umfeld und im Parteiensystem zu einer wachsenden Polarisierung führen.

Ein erschreckender Aspekt der Studie ist, dass die Wahrnehmung der Parteien drastisch schwankt, während die Meinungen zu vielen gesellschaftlichen Themen relativ stabil bleiben. Insbesondere junge Menschen mit niedriger Bildung haben eine ausgeprägt unterschiedliche Sicht auf die gesellschaftlichen Strukturen und evaluieren die Demokratie, insbesondere in Bezug auf die AfD, skeptisch. Die grundlegenden Aspekte der liberalen Demokratie, wie freie Wahlen und eine unabhängige Medienlandschaft, erfreuen sich jedoch nach wie vor eines hohen Rückhalts in der Bevölkerung.

Gefahren der Desinformation

Zusätzlich zu den Erkenntnissen der FU Berlin zeigt eine andere aktuelle Studie, dass eine große Mehrheit der Deutschen die Verbreitung von Falschinformationen im Internet als ernsthaftes Problem betrachtet. Laut der Bertelsmann Stiftung sehen 84 Prozent vorsätzlich verbreitete Desinformationen als große oder sehr große Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt an. Diese Wahrnehmung korreliert mit der Einschätzung, dass die Desinformation den politischen Diskurs stark beeinflusst und gezielt zur Beeinflussung von Wahlausgängen eingesetzt wird. Über 90 Prozent der Befragten glauben, dass die Herausgeber von Falschinformationen beabsichtigen, die politische Meinung zu manipulieren.

Die Studie, die unter dem Titel „Verunsicherte Öffentlichkeit“ geführt wurde, stellt zudem fest, dass viele Bürger der Meinung sind, dass dem Problem der Desinformation zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Besonders kontroverse Themen wie Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klima werden häufig mit der Verbreitung von Falschinformationen assoziiert, was die Polarisierung der Gesellschaft verstärkt.

Soziale Medien als Katalysatoren

Soziale Medien spielen in diesem Kontext eine doppelte Rolle: Sie erleichtern einerseits den Austausch von Informationen und fördern die politische Mobilisierung, andererseits können sie zur Fragmentierung und zur Verbreitung von Falschinformationen beitragen. Studien belegen, dass 2022 etwa jeder zweite Deutsche über 14 Jahre wöchentlich soziale Medien nutzte; unter den 14- bis 29-Jährigen waren es sogar 88 Prozent. Dies hat Auswirkungen auf die Informationsaufnahme, insbesondere im Bundestagswahlkampf 2021, wo 50 Prozent der Erstwähler angaben, ihre Informationen hauptsächlich über soziale Medien zu beziehen. Lance Bennett und Alexandra Segerberg beschreiben in diesem Zusammenhang den Übergang zu einer neuen Form der politischen Mobilisierung, die sie als „connective action“ bezeichnen.

Trotz der positiven Aspekte der sozialen Medien, wie sie ein höheres politisches Engagement vorantreiben können, blitzt auch immer wieder die Kritik auf. Kritiker warnen vor der Fragmentierung der Öffentlichkeit sowie der Verbreitung von Fake News und extremistischer Hassrede. Soziale Medien können sowohl demokratische als auch antidemokratische Zwecke bedienen, was die Herausforderungen für die Medienkompetenz und die Regulierung dieser Plattformen umso drängender macht.

Insgesamt zeigen die aktuellen Studien nicht nur eine tiefgreifende Veränderung der politischen Wahrnehmung in Deutschland, sondern auch die vielschichtigen Herausforderungen, mit denen Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt konfrontiert sind. Während die Grundlagen der Demokratie weiterhin großen Rückhalt genießen, leiden sie unter den Auswirkungen von Desinformation und der Polarisierung durch soziale Medien, was einen dringenden Handlungsbedarf zur Stärkung der Medienkompetenz aufzeigt.

Für detaillierte Informationen zu den Studien können Sie die Veröffentlichungen der Freien Universität Berlin, der Bertelsmann Stiftung sowie der Bundeszentrale für politische Bildung einsehen.