Der renommierte Professor für Fotokunst, Eduard Stranadko, hat vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen und seitdem in Zweibrücken eine neue Heimat gefunden. Bis Juni 2022 lehrte er an der Universität in Kiew und begleitete seine Studenten bis zum Ende des Semesters, bevor er aufgrund eines Raketenangriffs fliehen musste. Stranadko stand auf einer Liste von Persönlichkeiten, die bei einer möglichen Einnahme Kiews durch Russland liquidiert werden sollten.
Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, folgte seiner Frau Natalia Scarlatti, die bereits dort lebte. In Zweibrücken hat er sein Leben in einem alten Haus in der Maxstraße, das aus der Zweibrücker Schwedenzeit stammt, neu gestaltet. Stranadko, der zuvor 30 Jahre in Poltawa lebte, betrachtet seinen Umzug als Rückkehr zu seinen Wurzeln.
Der kreative Prozess in der neuen Heimat
In der neuen Umgebung fühlt sich Stranadko wohl und ist dankbar für die Möglichkeit, in Frieden leben zu können, kämpft jedoch gleichzeitig gegen eine schwer fortschreitende Krebserkrankung. Er lebte 1986 in der Nähe von Tschernobyl und könnte möglicherweise radioaktivem Staub ausgesetzt gewesen sein. Diese Erfahrungen fließen in seine Kunst ein: 2016 stellte er Fotos von der Tschernobyl-Katastrophe in München aus.
Zusätzlich hat Stranadko zwei digitale Fotobücher über Zweibrücken und Umgebung erstellt, die für Interessierte kostenlos auf calameo.com verfügbar sind. Um seine Kunst in der Region bekannt zu machen, arbeitet Werner Euskirchen, ein Hobby-Historiker, eng mit ihm zusammen. Eine geplante Ausstellung im Mannlich-Haus in Zweibrücken mit dem Titel „My imaginary friends“ soll im Februar eröffnet werden. Diese wird Stranadkos innovative Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz präsentieren, darunter auch das Ersetzen von Gesichtern in Fotos.
Die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Kunst
Parallel zu Stranadkos Entwicklung werfen verschiedene kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen einen Lichtstrahl auf die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die zeitgenössische Kunst. Die Ausstellung im Kunstverein Hannover zeigt fiktive Altersporträts von Künstlern, die unter dem NS-Regime ermordet wurden, und reflektiert zugleich den Umgang mit Kriegstraumata. Die ukrainische Malerin Kateryna Lysovenko, die seit dem Überfall auf die Ukraine mit ihren Kindern in Wien lebt, thematisiert in ihren rund 50 Malereien Kriegstraumata, Flucht und die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine.
Lysovenkos Arbeiten fordern das Publikum heraus, sich mit dem Transitstatus der Menschen und den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine auseinanderzusetzen. Diese strengen Verknüpfungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart helfen, das Schicksal von Künstlern in Kriegszeiten zu verdeutlichen und festigen den Platz der ukrainischen Kunst in der europäischen Kultur.
Stranadko sieht in der Zukunft der Ukraine zwei mögliche Szenarien: Entweder wird sie fallen oder Russland wird zerfallen. Diese Botschaft hat in seinem Freundeskreis besonderen Anklang gefunden, da er als einer der wenigen die katastrophalen Entwicklungen voraussehen konnte. Seine Kunst und Lehren in Zweibrücken bieten nicht nur einen Rückblick auf die eigene Vergangenheit, sondern auch einen klaren Kommentar zur gegenwärtigen und zukünftigen Lage in der Ukraine.